Keine uferlosen Rechte eines mit Sperrminorität ausgestatteten Geschäftsführers

Muss ein GmbH-Geschäftsführer immer die Gesellschafterversammlung „fragen“?

Ein Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer darf bei Ausübung der Geschäftsführung nicht die Gesellschafterversammlung mit der Begründung übergehen, diese könne ihm aufgrund seiner vorhandenen Sperrminorität bei Beschlussfassungen ohnehin keine gegenteiligen Weisungen erteilen. Das Rostocker Oberlandesgericht entschied, dass er dadurch die ihm obliegende Treuepflicht verletzt und den Grundsatz der Verbandssouveränität der GmbH missachtet. 

Geschäftsführer darf Gesellschafterversammlung nicht zum Zuschauer „degradieren“

Der Geschäftsführer einer GmbH war zugleich deren Minderheitsgesellschafter mit ca. 28 % der Geschäftsanteile. Beschlüsse der GmbH waren nach den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags mit einer Dreiviertelmehrheit zu fassen. Dies missachtete der Geschäftsführer kontinuierlich und traf verschiedene Geschäftsführungsentscheidungen ohne Beteiligung der Gesellschafterversammlung; u.a. hatte er die Gesellschafterversammlung einer Tochtergesellschaft einberufen. Das wollte sich die Gesellschaftermehrheit nicht länger gefallen lassen und beschloss die Abberufung des Geschäftsführers, die fristlose Kündigung seines Anstellungsvertrags und die Einziehung seiner Geschäftsanteile. Die hiergegen gerichtete Klage des Geschäftsführers blieb erfolglos. 

Ausnutzung der Sperrminorität ist treuwidrig

Der Geschäftsführer hatte wiederholt die Gesellschafterversammlung übergangen und hierbei den Mehrheitswillen der Gesellschafterversammlung missachtet. In der Ausnutzung seiner Sperrminorität sah das Oberlandesgericht eine erhebliche Verletzung seiner Pflichten als Geschäftsführer und Minderheitsgesellschafter. Zudem, so die Richter:innen, habe er – neben einer Verletzung seiner Geschäftsführerpflichten – auch gegen seine mitgliedschaftliche Treuepflicht verstoßen. Die Ansicht, der Geschäftsführer benötige keinen zustimmenden Gesellschafterbeschluss, weil die übrigen Gesellschafter:innen ohne ihn sowieso nicht Beschluss fassen könnten, sei treuwidrig.

Wichtig: Auch der Minderheitsgesellschafter ist an die Treuepflicht gebunden

Das Oberlandesgericht betonte, dass auch ein:e Minderheitsgesellschafter:in verpflichtet sei, die Interessen der anderen Mitgesellschafter:innen zu berücksichtigen und eine Willensbildung aller Gesellschafter:innen zu ermöglichen. Aus dem sogenannten Grundsatz der Verbandssouveränität folge außerdem, dass die Gesellschafter:innen ihre Zuständigkeit zur Überwachung der Geschäftsführer:innen nicht vollständig aufgeben dürfen und ein:e Geschäftsführer:in sich ebenfalls nicht dauerhaft dem Weisungsrecht der Gesellschafter:innen entziehen darf. 

Oberlandesgericht Rostock, Urteil vom 22.3.2021 – 1 U 115/14

Dr. Olaf Lüke

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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