Höhe nachträglicher Anschaffungskosten bei stehen gelassenen Gesellschafterdarlehen
Rechtsunsicherheiten durch vergangene Rechtsentwicklungen
Die steuerliche Berücksichtigung von Verlusten aus Darlehen, die ein Gesellschafter seiner Kapitalgesellschaft gewährt, ist regelmäßig Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten mit der Finanzverwaltung – nicht zuletzt aufgrund diverser Rechtsänderungen in den vergangenen Jahren.
So hat der Bundesfinanzhof im Jahr 2017 seine Rechtsprechung zur Berücksichtigung eigenkapitalersetzender Finanzierungshilfen als nachträgliche Anschaffungskosten für die Beteiligung an der Kapitalgesellschaft geändert. Da das zivilrechtliche Eigenkapitalersatzrecht durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) im Jahr 2008 abgelöst wurde, sei die bisherige Rechtfertigung für eine steuerliche Behandlung als nachträgliche Anschaffungskosten entfallen und nur noch übergangsweise für eigenkapitalersetzende Finanzierungsmaßnahmen, die bis zur Verkündung des Urteils im September 2017 gewährt wurden, zu billigen.
Für Gesellschafterdarlehen, die ab dem Jahr 2009 gewährt wurden, war zunächst – bestätigt durch den Bundesfinanzhof – ein Abzug als (Substanz-)Verlust bei Ausfall, Verzicht oder Verkauf bei den Einkünften aus Kapitalvermögen möglich. Unter gewissen Voraussetzungen hatte dies den Vorteil, dass Verluste sogar voll und nicht – wie bei Behandlung als Anschaffungskosten auf die Beteiligung – lediglich zu 60 % mit anderen Einkünften verrechnet werden konnten. Auch diese Verlustberücksichtigung hat der Gesetzgeber jedoch in der Folgezeit erheblich eingeschränkt.
Zudem wurde im Jahr 2019 für Gesellschafterdarlehen in § 17 Abs. 2a Einkommensteuergesetz (EStG) erstmalig eine gesetzliche Grundlage für die (gegenüber den Einkünften aus Kapitalvermögen vorrangige) Berücksichtigung als nachträgliche Anschaffungskosten geschaffen.
Nachträgliche Anschaffungskosten ausgefallener Gesellschafterdarlehen bei der Auflösung einer Kapitalgesellschaft
Ein Gewinn oder Verlust aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft ist bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb nach § 17 Abs. 4 EStG zu berücksichtigen. Gewinn oder Verlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem gemeinen Wert des zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens und der Anschaffungskosten des Gesellschafters für den Geschäftsanteil. Hierzu zählen auch nachträgliche Anschaffungskosten. Diese sind nun in § 17 Abs. 2a EStG definiert. Hierunter fallen zum einen Aufwendungen des Gesellschafters, die nach handels- und bilanzsteuerrechtlichen Grundsätzen zu einer offenen oder verdeckten Einlage in das Kapital der Gesellschaft führen. Zum anderen sind Darlehensverluste, soweit die Gewährung des Darlehens oder das Stehenlassen des Darlehens in der Krise gesellschaftsrechtlich veranlasst war, als nachträgliche Anschaffungskosten zu berücksichtigen.
Die Bewertung ausgefallener Gesellschafterdarlehen (nachträgliche Anschaffungskosten der Höhe nach) ist in § 17 Abs. 2a Nr. 2 EStG nicht ausdrücklich geregelt. Nach Verwaltungsauffassung soll – wie schon zu Zeiten der Anknüpfung an das Eigenkapitalersatzrecht – weiterhin zwischen vier Fallgruppen unterschieden werden:
- In der Krise hingegebenes Darlehen
- Krisenbestimmtes Darlehen
- Finanzplandarlehen
- In der Krise stehen gelassenes Darlehen
Während die Darlehen der ersten drei Fallgruppen im Rahmen der Auflösung einer Kapitalgesellschaft zu nachträglichen Anschaffungskosten auf die Beteiligung in Höhe des Nennbetrags des ursprünglichen Darlehens führen, erfolgt die Bewertung in der Krise stehen gelassener Darlehen nach Verwaltungsauffassung mit dem Teilwert zum Zeitpunkt des Kriseneintritts. Der Teilwert solcher Darlehen beträgt regelmäßig 0 €, sodass eine Erhöhung der Anschaffungskosten auf die Beteiligung und damit verbunden eine Verlustberücksichtigung im Anwendungsbereich des § 17 EStG ausscheidet.
Der nun entschiedene Fall
Die Verwaltungsauffassung zur Bewertung stehen gelassener Darlehen hat der Bundesfinanzhof nun vor dem Hintergrund des im Jahre 2019 eingeführten § 17 Abs. 2a EStG bestätigt. Im streitgegenständlichen Sachverhalt entschied der Bundesfinanzhof, dass in der Krise stehen gelassene Darlehen so weit zu nachträglichen Anschaffungskosten führen, wie sie gesellschaftsrechtlich veranlasst sind. Die Frage nach der gesellschaftsrechtlichen Veranlassung richte sich nach der Werthaltigkeit zum Zeitpunkt des Kriseneintritts. An diesen Grundsätzen ändere auch die Einführung des § 17 Abs. 2a EStG nichts.
Im Streitfall hat der Bundesfinanzhof weiterhin auch eine Verlustberücksichtigung im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen versagt, weil das Darlehen vor dem Inkrafttreten der Abgeltungsteuer bis zum 31.12.2008 hingegeben wurde. Eine steuerliche Berücksichtigung des wertlosen Teils des Gesellschafterdarlehens im Anwendungsbereich des § 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG wäre im Urteilsfall lediglich dann in Betracht gekommen, wenn das Darlehen nach dem 1.1.2009 gewährt worden wäre. In der Zwischenzeit hat der Gesetzgeber aber auch im Anwendungsbereich des § 20 EStG die steuerliche Berücksichtigung aus der Uneinbringlichkeit von Kapitalforderungen geregelt und erheblich eingeschränkt.
Hinweise für die Praxis
Nachdem der Bundesfinanzhof im Juni 2023 bereits zur Bewertung stehen gelassener Bürgschaftsregressforderungen entschieden hatte, bestätigt er nun die Auffassung der Finanzverwaltung hinsichtlich der Bewertung stehen gelassener Darlehen. Danach sind Wertverluste bis zum Eintritt der Krise und der Entscheidung über das Stehenlassen des Darlehens nach § 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG (Verlust in der privaten Vermögenssphäre) und Wertverluste ab der Entscheidung über das Stehenlassen in der Krise bis zum endgültigen Darlehensausfall aufgrund gesellschaftsrechtlicher Veranlassung nach § 17 Abs. 2a Nr. 2 EStG zu berücksichtigen.
Zentraler Punkt bei der Berücksichtigung eines stehen gelassenen Darlehens ist somit die Frage, mit welchem (Teil-)Wert der Darlehensanspruch im Zeitpunkt der Entscheidung über das Stehenlassen anzusetzen ist. Dieser Wert wird regelmäßig 0 € betragen, insbesondere wenn das Stehenlassen nach Kriseneintritt erfolgt oder der Gesellschafter in einer Krise eine Rangrücktrittserklärung abgegeben hat.
In der Praxis wird die Herausforderung darin bestehen, zu ermitteln, wann welche Wertverluste eingetreten sind. Gleichzeitig sind unterschiedliche Verlustberücksichtigungszeitpunkte zu beachten. Verluste nach § 17 EStG (werthaltiger Teil) sind zu dem Zeitpunkt zu berücksichtigen, in dem feststeht, dass mit den beiden folgenden Voraussetzungen nicht mehr zu rechnen ist:
- mit einer Auskehrung von Gesellschaftsvermögen an den Gesellschafter (Ebene der Gesellschaft) und
- einer wesentlichen Änderung des Auflösungsgewinns oder -verlusts (Ebene des Gesellschafters).
Beide Voraussetzungen müssen gleichzeitig vorliegen.
Für eine Verlustberücksichtigung nach § 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG (nicht werthaltiger Teil) ist hingegen der Zeitpunkt maßgeblich, zu dem der Gläubiger von einem endgültigen Ausfall seiner Forderung ausgehen kann. Es kommt auf den Zeitpunkt an, zu dem nicht mehr mit Rückzahlungen auf die Forderung zu rechnen ist und ausreichende Anhaltspunkte für eine Uneinbringlichkeit der Forderung vorliegen. Dies kann zu einer Berücksichtigung in verschiedenen Veranlagungszeiträumen führen.
Um sicherzustellen, dass ein Gesellschafterdarlehen bei der Auflösung der Kapitalgesellschaft zumindest als nachträgliche Anschaffungskosten nach § 17 EStG berücksichtigt wird, sollte bereits im Darlehensvertrag eine Krisenbestimmung vereinbart werden.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 18.7.2023 – IX R 21/21