Nachforderungszinsen zur Umsatzsteuer – Billigkeitserlass prüfen!
Hintergrund
Im Rahmen der Sollbesteuerung entsteht die Umsatzsteuer im Monat der Ausführung des Umsatzes, unabhängig vom Datum der Rechnungsstellung. Wird der Umsatz z.B. im Dezember 2022 ausgeführt, aber erst im Januar 2023 abgerechnet, so ist der Umsatz in der Voranmeldung für den Dezember 2022 zu melden. In der Praxis wird dies häufig übersehen.
Deklaration im Monat der Rechnungsstellung – Finanzamt erlässt Nachzahlungszinsen
Im Rahmen einer Außenprüfung wurde festgestellt, dass der Kläger seine Umsätze immer im Monat der Rechnungsstellung deklariert hatte, obwohl er 90 % der Umsätze bereits im Vormonat erbracht hatte. Ursächlich hierfür war, dass dem Kläger die für die Rechnungsstellung nötigen Informationen von Subunternehmer:innen nicht rechtzeitig vorlagen. Das Finanzamt ordnete nun jeweils 90 % der im Januar gemeldeten Umsätze dem Vorjahr zu. Insgesamt forderte das Finanzamt für die Jahre 2009 bis 2013 ca. 1,9 Mio. € Zinsen vom Kläger. Hiervon entfielen allein auf das Jahr 2009 1,4 Mio. € (Zinslauf 56 Monate). Der Kläger beantragte daraufhin den Erlass der Nachzahlungszinsen aus Billigkeitsgründen, da der Liquiditätsvorteil des Klägers jeweils mit der Voranmeldung des Folgemonats entfallen sei. Das Finanzamt lehnte dies ab. Der Kläger erhob hiergegen Klage und erhielt in der Vorinstanz Recht. Das Finanzamt legte daraufhin Revision beim Bundesfinanzhof ein. Zur Begründung verwies es u.a. auf den unterjährigen Zinsvorteil des Klägers, der zu beachten sei.
Bundesfinanzhof: Festsetzung der Nachforderungszinsen nicht zulässig
Der Bundesfinanzhof weist die Argumentation des Finanzamts zurück. Durch die Erhebung von Nachforderungszinsen sollen nur Zinsvorteile abgeschöpft werden, die auch vorhanden sind. Eine um einen Monat verspätete Steueranmeldung kann daher nicht zu einem Zinslauf von z.B. 56 Monaten führen, wenn der erlangte Liquiditätsvorteil durch die Anmeldung des Folgemonats wieder ausgeglichen wird, sodass durch die verspätete Steuerfestsetzung kein Vorteil erzielt wurde.
Dem steht auch nicht entgegen, dass der Kläger unterjährig permanent Liquiditätsvorteile generierte. Eine Verzinsung von Vorauszahlungen sieht die Abgabenordnung (§ 233a AO) nicht vor. Entsprechend kann das Finanzamt hiermit nicht begründen, dass die Festsetzung der Nachforderungszinsen zulässig sei.
Konsequenzen
Die Festsetzung von Zinsen gemäß § 233a AO ist nur gerechtfertigt, wenn ein Zinsvorteil seitens der Unternehmerin oder des Unternehmers entstanden ist. Ist dies nicht der Fall, ist der Erlass aus Billigkeitsgründen zu gewähren. Prüfen Sie daher in solchen Fällen, ob Sie durch einen Billigkeitsantrag die Nachforderungszinsen reduzieren können.
Beachten Sie aber, dass dieses Urteil Sie – wie im obigen Fall – nicht dazu verleiten sollte, durch verspätete Anmeldung der Umsatzsteuer Liquiditätsvorteile zu erreichen, frei nach dem Motto: Es passiert ja nichts. Denn die vorsätzliche oder leichtfertige unzutreffende Deklaration der Umsätze in Voranmeldungen kann steuerstrafrechtlich geahndet werden.