Missbrauch der Kleinunternehmerregelung durch Ehegatten?
Fall: Im selben Gewerbe tätige Eheleute
Die Klägerin und ihr Ehemann hatten beide im Jahr 2016, unabhängig voneinander, ihr Gewerbe „Grabpflege und Grabgestaltung“ angemeldet. In den Folgejahren erzielten beide jeweils einen Umsatz unterhalb der Grenze für Kleinunternehmer:innen und nahmen die Kleinunternehmerregelung in Anspruch. Das Finanzamt stellte im Rahmen einer Betriebsprüfung u.a. fest, dass:
- die Ehegatten ihre Unternehmen am gleichen Sitz, ihrer privaten Anschrift, ausübten;
- die Rechnungen der beiden Unternehmen den gleichen Word-Vordruck sowie ein identisches Logo verwendeten, allerdings eigene Rechnungs- und Kundennummern nutzten;
- keine saubere Trennung der Buchführung der Unternehmen vorlag: So wurde z.B. eine die Klägerin betreffende Eingangsrechnung aus der Kasse des Ehemanns beglichen;
- die Bezeichnungen der Eingangsrechnungen nicht immer eine eindeutige Zuordnung zu einem der beiden Unternehmen zuließen;
- die Unternehmen den gleichen Kundenkreis abwechselnd und zeitversetzt bedienten, was aus Sicht der Prüfung ungewöhnlich ist, wenn die Grabpflege auch „aus einer Hand“ erledigt werden kann;
- ein Anhänger, der sich im Betriebsvermögen der Klägerin befand, auch vom Ehemann genutzt wurde, ohne dass dieser hierfür ein Nutzungsentgelt zahlte.
Die Eheleute erläuterten hierzu, dass die Klägerin für die Grabpflege, ihr Ehemann dagegen für die Grabgestaltung zuständig sei. Die Anmeldung des Gewerbes durch den Ehemann sei erfolgt, da der Arbeitsumfang für die Klägerin zu hoch geworden sei und sie die Kleinunternehmergrenze nicht überschreiten wollte. Der Prüfer folgerte hieraus, dass keine zwei, sondern ein einheitliches Unternehmen vorliegt. Er setzte nun Umsatzsteuer fest, da die kumulierten Umsätze die Kleinunternehmergrenze überschritten. Hiergegen wehrte sich die Klägerin. Demnach liege keine missbräuchliche Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung vor, da ihr Ehemann die Grabgestaltung übernahm, die sie aufgrund der hiermit verbundenen körperlichen Tätigkeit nicht leisten könne.
Urteil: Kein Missbrauch der Kleinunternehmerregelung bei Vorliegen außersteuerlicher Gründe
Das Finanzgericht Münster geht davon aus, dass zwei selbstständige Unternehmen vorliegen. Hierfür spricht, dass die Eheleute für ihre Kund:innen erkennbar eigenständig nach außen aufgetreten sind. Sie haben jeweils ein eigenes Gewerbe angemeldet, die Leistungen unter dem eigenen Namen und der eigenen Steuernummer erbracht und jeweils eigene Bankverbindungen genutzt. Die Feststellungen der Prüfung (s.o.) sind angesichts dessen unerheblich.
Ebenso ist die Ausnutzung der Kleinunternehmergrenze nicht missbräuchlich. Denn das Bestreben, Steuern zu sparen, macht eine rechtliche Gestaltung nicht unangemessen, sofern hierfür auch beachtliche außersteuerliche Gründe maßgebend sind. Diese sieht das Finanzgericht u.a. in dem Umstand, dass die Klägerin nicht in der Lage war, die erforderliche körperliche Arbeit zu leisten.
Entsprechend folgt das Finanzgericht der Argumentation der Klägerin.
Was bedeutet dies für die Praxis?
Nur wenn Umsätze planmäßig aufgespalten und künstlich zwischen Unternehmen mit dem Ziel verlagert werden, die Kleinunternehmergrenze jeweils nicht zu überschreiten, ist dies als missbräuchlich anzusehen. Ergibt dagegen eine umsatzsteuerlich vorteilhafte Aufspaltung eines Unternehmens wirtschaftlich Sinn, so hat die Finanzverwaltung dies zu akzeptieren. Es ist allerdings darauf zu achten, dass die Unternehmen nach außen hin auch tatsächlich getrennt auftreten.
Für die Praxis interessant sind zudem zwei Hinweise aus dem Urteil: Zum einen weist das Finanzgericht darauf hin, dass das Finanzamt, wenn es denn schon ein einheitliches Unternehmen unterstellt, keine Umsatzsteuer getrennt gegenüber den Klägern festsetzen kann, sondern gegenüber einem Personenzusammenschluss, was gerne übersehen wird.
Zum anderen sieht das Finanzgericht in der Aussage der Betriebsprüfung, wonach die Eheleute die Leistung „aus einer Hand“ anbieten müssten, eine faktische, gegen das Grundgesetz verstoßende Benachteiligung der Ehe, da eine missbräuchliche Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung z.B. bei Nachbarn nicht angenommen worden wäre. Dies könnte auch für andere Verfahren von Bedeutung sein.
Finanzgericht Münster, Urteil vom 8.4.2025 – 15-K-2500/22