Kündigungsschutzklage: Nachträgliche Klagezulassung wegen unbekannter Schwangerschaft
Der Fall
Die klagende Mitarbeiterin erhielt eine schriftliche Kündigung ihrer Arbeitgeberin. Zwei Wochen nach Erhalt der Kündigung machte die Klägerin einen Schwangerschaftstest und erhielt ein positives Ergebnis. Sie bemühte sich umgehend um einen Frauenarzttermin, um Sicherheit über die Schwangerschaft zu erhalten. Sie bekam aber erst einige Wochen später einen Termin bei ihrem Arzt, der die Schwangerschaft dann bestätigte.
Kurz vor dem Termin beim Frauenarzt erhob die Mitarbeiterin Kündigungsschutzklage. Da zu diesem Zeitpunkt die dreiwöchige Klagefrist bereits abgelaufen war, beantragte sie die nachträgliche Zulassung der Klage.
BAG: Kündigungsschutzklage ist nachträglich zuzulassen
Das Bundesarbeitsgericht ließ die Kündigungsschutzklage der Klägerin nachträglich zu. Grund für die nachträgliche Zulassung sei, dass die klagende Mitarbeiterin schuldlos erst nach Ablauf der dreiwöchigen Klagefrist Kenntnis von ihrer beim Zugang des Kündigungsschreibens bereits bestehenden Schwangerschaft erlangt hat. Unschädlich sei, dass die Klägerin während der regulären Kündigungsfrist bereits durch den positiven Schwangerschaftstest von ihrer Schwangerschaft wusste, aber dennoch nicht innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Kündigungsschutzklage erhoben hat. Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts erlangte die Klägerin erst mit der ihr frühestmöglichen frauenärztlichen Untersuchung nach Ablauf der regulären Klagefrist positive Kenntnis von ihrer bereits bestehenden Schwangerschaft. Der Schwangerschaftstest konnte ihr diese Kenntnis nicht vermitteln.
Aufgrund des bestehenden und seitens der Arbeitgeberin nicht berücksichtigten Sonderkündigungsschutzes der schwangeren Klägerin hielt das Bundesarbeitsgericht die Kündigung für unwirksam.
Ausblick für die Praxis
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts wird viele Arbeitgeber:innen wenig überraschen. Das Kündigungsschutzgesetz sieht bereits eine Regelung vor, wonach auf Antrag die Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen ist, wenn die Mitarbeiterin von ihrer Schwangerschaft aus einem von ihr nicht zu vertretenen Grund erst nach Ablauf der regulären dreiwöchigen Klagefrist erfährt. Diese Regelung hängt mit dem aus dem Mutterschutzgesetz resultierenden Sonderkündigungsschutz zusammen, wonach die Kündigung einer schwangeren Mitarbeiterin grundsätzlich unzulässig ist. Dieser Sonderkündigungsschutz besteht auch, wenn die gekündigte Mitarbeiterin ohne ihr Verschulden erst nach der ihr zugegangenen Kündigung von ihrer bereits bestehenden Schwangerschaft erfährt und den Arbeitgeber entsprechend informiert.
Erstmalig hat das Bundesarbeitsgericht aber nun entschieden, dass ein positiver Schwangerschaftstest für die positive Kenntnis von einer Schwangerschaft nicht ausreicht. Vielmehr wird die erforderliche positive Kenntnis im Regelfall erst durch eine ärztliche Untersuchung erlangt. Für Arbeitgeber:innen bedeutet dies im Falle einer Kündigung eine länger andauernde Ungewissheit über ein mögliches Kündigungsschutzverfahren. Arbeitgeber:innen sind gut beraten sich in einem solchen Kündigungsfall juristische Hilfe einzuholen.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 3. April 2025, Az.: 2 AZR 156/24