Wesentliche Änderungen bei den Vorschriften zur Grundbesitzbewertung

 

Mit der Einführung des Jahressteuergesetzes (JStG) 2022 werden die Vorschriften über die Grundbesitzbewertung angepasst. Der Gesetzgeber verfolgt mit den Änderungen das Ziel, den bewertungsrechtlichen Ansatz der Grundbesitzwerte für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungssteuer an die tatsächlichen Verkehrswerte anzunähern. Der nachfolgende Artikel stellt die wesentlichen Änderungen durch das JStG 2022 dar.

Einführung des neuen Jahressteuergesetzes 2022

Mit dem Jahressteuergesetz 2022 (im Nachfolgenden: JStG 2022) beabsichtigt der Gesetzgeber, wesentliche Änderungen bei den Vorschriften zur Grundbesitzbewertung vorzunehmen. Die Grundbesitzbewertung ist insbesondere für Grundstücke von Relevanz, die für Zwecke der Erbschaft- oder Schenkungssteuer zu bewerten sind. Während sich die steuerliche Immobilienbewertung an dem Bewertungsgesetz orientiert und seit einigen Jahren keinen Anpassungen mehr unterlegen hat, haben die tatsächlichen Verkehrswerte im Immobiliensegment erhebliche Wertsteigerungen verzeichnen können. Der Gesetzgeber versucht mit den Änderungen bei der Grundbesitzbewertung, die Wertermittlungen für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer anzupassen und eine getreuere Bewertung an den tatsächlichen Verkehrswerten vorzunehmen. Die Gesetzesänderungen bei der Grundbesitzbewertung orientieren sich an der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) vom 14.7.2021 (BGBl. I S. 2805), mit der die Regelungen zur Verkehrswertermittlung an die aktuellen Entwicklungen bereits angepasst worden sind.

Die Änderungen bei der Grundbesitzbewertung im Überblick

Die steuerliche Grundbesitzbewertung sieht bei der Bewertung von bebauten Grundstücken insgesamt drei Verfahren vor (Vergleichswert-, Ertragswerts- und Sachwertverfahren). Bei dem Vergleichswertverfahren werden Kaufpreise von Grundstücken herangezogen, die hinsichtlich ihrer Merkmale mit dem zu bewertenden Grundstück hinreichend übereinstimmen. Da in der Praxis Vergleichspreise und Vergleichsgrundstücke oftmals nicht festzustellen sind, wird bei der Grundbesitzbewertung regelmäßig auf die nachrangigen Bewertungsverfahren des Ertragswert- oder des Sachwertverfahrens zurückgegriffen. Das Ertragswertverfahren ist insbesondere für Mietwohngrundstücke anzuwenden. Darüber hinaus werden im Ertragswertverfahren auch Geschäftsgrundstücke sowie gemischt genutzte Grundstücke bewertet, für die sich auf dem örtlichen Grundstücksmarkt eine übliche Miete ermitteln lässt. Das Sachwertverfahren kommt hingegen dann zur Anwendung, wenn sich für Geschäftsgrundstücke sowie gemischt genutzte Grundstücke ortsübliche Mieten nicht feststellen lassen. Des Weiteren werden mithilfe des Sachwertverfahrens Wohnungs- und Teileigentum, Einfamilien- und Zweifamilienhäuser sowie sonstige bebaute Grundstücke bewertet.

Im Ertragswertverfahren nach den §§ 184 bis 188 Bewertungsgesetz (BewG) wird der Grundbesitzwert (Ertragswert) aus der Summe von Bodenwert (Bodenertragswert) und Gebäudewert (Gebäudeertragswert) gebildet. Durch Einführung des JStG 2022 werden hier wesentliche Änderungen bei der Ermittlung der Bewirtschaftungskosten und der Höhe des Liegenschaftszinssatzes vorgenommen, die sich auf die Grundbesitzbewertung ergebniserhöhend auswirken, sofern sich die Bewirtschaftungskosten und Liegenschaftszinssätze nicht aus von den Gutachterausschüssen veröffentlichten Auswertungen ableiten lassen. Die Anpassung der Bewirtschaftungskosten, die die bei gewöhnlicher Bewirtschaftung nachhaltig entstehenden Verwaltungskosten, Betriebskosten, Instandhaltungskosten und Mietausfallwagnisse abdecken sollen, sind in der Vergangenheit meist pauschaliert anhand der typisierten Restnutzungsdauer und der Grundstücksart ermittelt worden. Durch die Gesetzänderungen werden die Regelungen nunmehr objektspezifischer ausgerichtet. Die Bewirtschaftungskosten werden fortan mithilfe von Basiswerten ermittelt, die zudem auch Modifikationen anhand der Wohnfläche / Nutzfläche je Quadratmeter sowie prozentuale Anpassungen bei der Jahresmiete berücksichtigen. Die Höhe des Liegenschaftszinssatzes, mit dem der Verkehrswert von Grundstücken im Durchschnitt marktüblich verzinst wird, erfährt durch das JStG 2022 ebenfalls erhebliche Änderungen. Während sich bislang hohe typisierte Liegenschaftszinssätze zwischen 5 % bis 6,5 % je nach Grundstücksart besonders ergebnismindernd im Rahmen der Bodenwertverzinsung ausgewirkt haben, werden durch Einführung des JStG 2022 die Liegenschaftszinssätze auf 3,5 % bis 6,0 % abgesenkt. Mit der Absenkung der Liegenschaftszinssätze werden insbesondere für Mietwohngrundstücke erheblich höhere Grundbesitzwerte erwartet. 

Im Sachwertverfahren nach den §§ 189 bis 191 BewG ist der Gebäudesachwert getrennt vom Bodenwert auf der Grundlage von gewöhnlichen Herstellungskosten zu bemessen. Durch Einführung des JStG 2022 wird die Ermittlung des Gebäudesachwertes um einen Regionalfaktor sowie um einen Alterswertminderungsfaktor ergänzt. Der Regionalfaktor soll Unterschiede zwischen dem bundesdurchschnittlichen und dem regionalen Baukostenniveau berücksichtigen. Der neue Alterswertminderungsfaktor ersetzt den bisherigen Abzugsbetrag der Alterswertminderung und wirkt sich aufgrund einer ebenfalls typisierten Anpassung bei den zugrundeliegenden Restnutzungsdauern der zu bewertenden Grundstücke fortan schwächer auf den insgesamt höheren zu ermittelnden Gebäudesachwert aus. Darüber hinaus werden durch das JStG 2022 auch umfassende Änderungen im Bereich der Bewertung von Erbbaurechtsfällen vorgenommen.

Änderungen gelten ab dem 1.1.2023

Die Neuregelungen sollen bereits für Bewertungsstichtage nach dem 31.12.2022 anzuwenden sein, weshalb es sich empfiehlt, geplante Übertragungen noch vor dem Jahresende umzusetzen.

Stefan Hamacher, LL.M.

Steuerberater, Fachberater für Internationales Steuerrecht

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Oliver Lohmar, LL.M.

Steuerberater

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