Geringfügige Beschäftigungsverhältnisse ohne Arbeitszeitregelung sind sozialversicherungspflichtig

 

Eine versteckte Änderung bei der Abrufarbeit hat viele bestehende geringfügige Beschäftigungsverhältnisse mit dem Jahreswechsel zur tickenden (wirtschaftlichen) Zeitbombe für Arbeitgeber gemacht.

Zwar gab es keine direkten Änderungen in den rechtlichen Regelungen zu Minijobs, allerdings wurde mit Wirkung zum 1.1.2019 der gesetzliche Mindestlohn auf 9,19 € brutto/Stunde angehoben. Gleichzeitig wurde in den Regelungen zur Abrufarbeit nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) eine wesentliche Neuerung vorgenommen: Für alle Arbeitsverhältnisse ohne eindeutige Regelung zur wöchentlichen Arbeitszeit wird jetzt stets von 20 Wochenstunden als gesetzlicher Vermutung ausgegangen. Ganz neu ist die letztgenannte Regelung nicht, allerdings wurden bislang bei nicht expliziter Vereinbarung der Arbeitszeit immer zehn Wochenstunden vermutet.

Wenn man beide Änderungen zusammenlegt, werden die gravierenden Auswirkungen auf Minijobs deutlich: Ohne explizite Vereinbarung einer Arbeitszeit werden sowohl aus arbeitsrechtlicher als auch aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht 20 Wochenstunden zu je 9,19 € brutto/je Stunde zugrunde gelegt:

20 Wochenstunden x 9,19 € brutto/Stunde x 4,33 (Wochenfaktor) = 795,85 € brutto

Die rechtlichen Folgen sind damit zum einen, dass Ihre Minijobber Lohn nachfordern können, und zum anderen, dass aus der geringfügigen Beschäftigung ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis wird. Die Sozialversicherungsträger können und werden dann die nicht gezahlten Sozialversicherungsbeiträge (rückwirkend bis zu vier Jahre) bei den Arbeitgebern nachfordern. Aufgrund der gesetzlichen Vermutung der Wochenstundenzahl gelten diese Folgen auch dann, wenn der Arbeitnehmer keine 20 Wochenstunden gearbeitet hat. Aus wirtschaftlicher Sicht treffen die Folgen alleine den Arbeitgeber sehr hart, denn Schuldner für den Lohn sowie vor allem die Gesamt-Sozialversicherungsbeiträge sind in voller Höhe nur die Arbeitgeber; Möglichkeiten, sich den Arbeitnehmeranteil der Sozialversicherungsbeiträge bei dem Arbeitnehmer „zurückzuholen“, bestehen im Regelfall nicht.

Auch der häufig angewandte Fall, einen Stundenlohn auf dem Personalbogen festzulegen – jedoch ohne schriftliche Vereinbarung über eine wöchentliche oder monatliche Arbeitszeit, gilt als Abrufarbeit mit den oben beschriebenen arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen (Nach-)Zahlungsfolgen. Es besteht also dringender Handlungsbedarf!

Bitte prüfen Sie alle Ihre geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse dahingehend, ob Sie eine schriftliche Vereinbarung über eine Wochen- oder Monatsstundenzahl vereinbart haben. Für alle Fälle ohne eine solche Vereinbarung, ist dies dringend kurzfristig in Form eines Arbeitsvertrags oder eines Nachtrags zum Arbeitsvertrag nachzuholen.

Bitte beachten Sie außerdem, dass zwar für geringfügige Beschäftigungsverhältnisse eine generelle Aufzeichnungs- und Dokumentationspflicht der Arbeitszeit gemäß § 17 Abs. 1 MiLoG besteht. Allerdings reicht dieser Stundenzettel nicht als Nachweis über eine Arbeitszeitvereinbarung aus. Die Arbeitszeit muss klar vertraglich geregelt sein. Aus dem Stundenzettel ergibt sich nicht die vereinbarte, sondern ausschließlich die tatsächlich geleistete Arbeitszeit.

Gerne stehen wir Ihnen hierzu auch bei Rückfragen zur Verfügung.

Rainer Merzbach

Steuerberater

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Alexandra Hecht

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht

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