Vorsicht bei der Ermittlung steuerpflichtiger Fremdwährungskursgewinne und -verluste
Bisherige Regelung zur Abgeltungsteuer
Seit der Einführung der Abgeltungsteuer im Jahr 2009 werden Kapitalerträge grundsätzlich mit einem Steuerabzug in Höhe von 25 % zzgl. Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls Kirchensteuer besteuert. Der steuerlichen Behandlung von Fremdwährungsguthaben kommt hierbei besondere Bedeutung zu. Bislang wurden Kursgewinne oder -verluste entweder als privates Veräußerungsgeschäft den sonstigen Einkünften, keiner Einkunftsart oder in eingegrenzten Fällen den Kapitaleinkünften zugeordnet. Die steuerlichen Folgen hieraus sind sehr unterschiedlich. Denn im Gegensatz zu Kapitaleinkünften, die der Abgeltungsteuer unterliegen, greift bei privaten Veräußerungsgeschäften die tarifliche Einkommensteuer. Zudem gilt bei Letzteren die sogenannte Spekulationsfrist, nach der etwaige Kursgewinne nicht besteuert werden, wenn Fremdwährungsguthaben länger als ein Jahr gehalten wurden. Eine solche Spekulationsfrist gilt jedoch nicht bei Einkünften aus Kapitalvermögen. Die Ermittlung der vorgenannten Einkünfte und die steuerliche Behandlung sind in der Praxis folglich relativ aufwendig und für die Besteuerung nicht unerheblich.
Neue Auffassung der Finanzverwaltung
Gemäß dem Anwendungsschreiben zur Abgeltungsteuer vom 19.5.2022 vertritt die Finanzverwaltung bei der Besteuerung von Fremdwährungskurseffekten nunmehr eine verschärfende Auffassung, die in jüngerer Vergangenheit auch vermehrt im Fokus der Finanzämter stand. Demnach sollen Fremdwährungsguthaben, die bislang nur als privates Veräußerungsgeschäft und folglich nur innerhalb der Spekulationsfrist besteuert werden konnten, nunmehr teilweise auch als steuerpflichtige Kapitalforderungen der Besteuerung unterliegen.
Hierbei wird zwischen Fremdwährungsguthaben mit und ohne Einkünfteerzielungsabsicht unterschieden. Steuerpflichtig als Einkünfte aus Kapitalvermögen sollen demnach nur Fremdwährungskursgewinne oder -verluste aus verzinslichen Fremdwährungsguthaben und deren vereinnahmten Zinsen sein. Zu einem steuerpflichtigen Veräußerungsgeschäft soll es dabei nach Auffassung der Finanzverwaltung auch kommen, wenn das Fremdwährungsguthaben an sich nicht umgetauscht wird, sondern dieses schlicht (erneut) verzinslich angelegt oder auf ein anderes Kreditinstitut übertragen wird.
Keine Einkünfteerzielungsabsicht wird dahingegen nach wie vor angenommen bei unverzinslichen oder unverbrieften Anlagen, Giro- sowie Zahlungsverkehrskonten, digitalen Zahlungsmitteln und Kreditkarten. In den Fällen können Fremdwährungskursgewinne weiterhin nur dann besteuert werden, wenn die Spekulationsfrist nicht überschritten wurde.
Bedeutung für die Praxis
Die Änderung der Auffassung der Finanzverwaltung erweitert den Besteuerungsumfang von Fremdwährungsguthaben deutlich und ist in allen offenen Fällen anwendbar. Den inländischen Banken wurde für den Kapitalertragsteuerabzug eine Übergangsfrist bis zum 1.1.2025 gewährt. Ungeachtet dessen sind die entsprechenden Einkünfte in der Einkommensteuererklärung zu berücksichtigen. Für die Praxis empfiehlt es sich daher, in jedem Fall die steuerliche Behandlung von Fremdwährungsguthaben zu überprüfen und etwaige Gestaltungsmöglichkeiten zu erwägen.