Erneute Änderung zur Verrechnungspreisdokumentation geplant
Bundestag verabschiedet das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz
Am 26.9.2024 hat der Bundestag das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz („BEG IV“) verabschiedet. Ziel dieses Gesetzes ist es, administrative Abläufe zu vereinfachen, den bürokratischen Aufwand für Unternehmen zu verringern und die digitale Transformation voranzutreiben. Der Bundesrat muss dem Gesetz noch zustimmen, eine Umsetzung gilt als sehr wahrscheinlich.
Ein zentraler Aspekt des BEG IV betrifft die Dokumentation von Verrechnungspreisen innerhalb einer internationalen Unternehmensgruppe. Das DAC7-Umsetzungsgesetz, das am 1.1.2023 in Kraft getreten ist, führte die Verpflichtung ein, die vollständige Verrechnungspreisdokumentation innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung gemäß § 90 Abs. 4 Abgabenordnung (AO) vorzulegen. Diese Regelung, die ab dem 1.1.2025 gilt, soll durch das neue Gesetz offenbar etwas entschärft werden.
Neue Struktur der Verrechnungspreisdokumentation – vermeintliche Entschärfung der verkürzten Vorlagefristen
Das BEG IV sieht eine Untergliederung der Verrechnungspreisdokumentation in § 90 Abs. 3 AO-E vor. Künftig ist die landesspezifische, unternehmensbezogene Dokumentation („Local File“) demnach in folgende Teile aufzugliedern:
-
Übersicht der Geschäftsvorfälle (Transaktionsmatrix),
-
Darstellung der Geschäftsvorfälle (Sachverhaltsdokumentation) und
-
Darstellung der wirtschaftlichen und rechtlichen Grundlagen für eine dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechende Vereinbarung von Bedingungen (Angemessenheitsdokumentation).
Ab dem 1.1.2025 bezieht sich die verkürzte Vorlagefrist von 30 Tagen mit Bekanntgabe der Prüfungsanordnung, sofern das BEG IV in der aktuellen Form verabschiedet wird, nach dessen § 90 Abs. 4 AO-E nur auf
-
die Transaktionsmatrix,
-
die Stammdokumentation der multinationalen Gruppe („Master File“) und
-
die Aufzeichnung außergewöhnlicher Geschäftsvorfälle.
Die spezifischen Anforderungen an die Transaktionsmatrix sollen in einer überarbeiteten Version der Gewinnabgrenzungsaufzeichnungs-Verordnung („GAufzV“) präzisiert werden. Basierend auf der Gesetzesbegründung ist davon auszugehen, dass dort folgende Informationen anzugeben sind:
-
der Gegenstand und die Art der Geschäftsvorfälle (a),
-
die an den Geschäftsvorfällen Beteiligten unter Kennzeichnung von Leistungsempfänger und Leistungserbringer (b),
-
das Volumen und das Entgelt der Geschäftsvorfälle (c),
-
die vertragliche Grundlage (d),
-
die angewandte Verrechnungspreismethode (e),
-
die betroffenen Steuerhoheitsgebiete (f) und
-
Informationen dazu, ob die Geschäftsvorfälle nicht der Regelbesteuerung im betreffenden Steuerhoheitsgebiet unterliegen (g).
Die weiteren Teile bzw. die vollumfängliche Verrechnungspreisdokumentation sind in diesem Fall nur auf gesonderte Aufforderung innerhalb von 30 Tagen vorzulegen.
Praktische Auswirkungen und Herausforderungen
Obwohl die Definition eines „Anforderungspakets“ in § 90 Abs. 4 AO-E mit Fokus auf die Transaktionsmatrix im Rahmen des Local Files eine Erleichterung der Dokumentation suggeriert, bleibt die Möglichkeit einer Anforderung der vollumfänglichen Verrechnungspreisdokumentation zu jeder Zeit bestehen. Diese Anforderung kann sowohl zusammen mit der Prüfungsanordnung als auch im Verlauf einer laufenden Betriebsprüfung erfolgen. Hier bleibt die konkrete Umsetzung dieser Regelung durch die Finanzverwaltung abzuwarten.
Sofern die vollumfängliche Verrechnungspreisdokumentation erst nachträglich angefordert wird, profitieren Unternehmen gegebenenfalls von einer zeitlichen Entzerrung. Diese erhalten dadurch einen „zusätzlichen“ Zeitraum von 30 Tagen für die Erstellung der Sachverhaltsdokumentation, Angemessenheitsanalyse sowie Funktions- und Risikoanalyse.
Jedoch sollten die erweiterten Anforderungen an die Transaktionsmatrix, die nach § 90 Abs. 4 AO-E innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung eingereicht werden muss, nicht unterschätzt werden. Insbesondere die geforderten zusätzlichen Informationen, wie sie in den vorgenannten Punkten e und g aufgeführt sind, könnten für dokumentationspflichtige Unternehmen erhebliche Herausforderungen darstellen.
Tatsächliche oder nur scheinbare Entlastung?
Die zentrale Frage lautet also: Bringt das Bürokratieentlastungsgesetz tatsächlich eine Entlastung im Bereich der Verrechnungspreisdokumentation?
Die konkreten Auswirkungen des Gesetzes hängen letztlich von der Umsetzung durch die Finanzverwaltung ab. Unserer Einschätzung nach ist zu erwarten, dass die Finanzverwaltung bereits aus den im Rahmen von § 90 Abs. 4 AO-E vorgelegten Dokumenten Fragen ableiten könnte, die im Zuge der Betriebsprüfung zu beantworten sind – möglicherweise sogar parallel zur Vorbereitung der vollumfänglichen Verrechnungspreisdokumentation. Ohne klare Vorgaben zu Schwellenwerten „wesentlicher“ Transaktionen auf Basis der „vorab“ einzureichenden Transaktionsmatrix ist keine echte Erleichterung in Bezug auf den Umfang der Verrechnungspreisdokumentation zu erwarten. Auch bei der Umsetzung des BEG IV bleibt der geforderte Umfang der Verrechnungspreisdokumentation ungewiss – kombiniert mit einer weiterhin verkürzten Vorlagefrist.
Die Erleichterungen sind somit eher überschaubar und ändern daher unseres Erachtens nichts an der klaren Empfehlung, für zukünftige Betriebsprüfungen jährliche Vorratsdokumentationen zu erstellen. Diese sollten vorsorglich um die nach der Gesetzesbegründung definierte Transaktionsmatrix ergänzt werden.
Update: Der Bundesrat hat dem Gesetz am 18. Oktober 2024 zugestimmt. Damit dürfte das Gesetz kurzfristig verkündet werden und in Kraft treten.