Darlegungs- und Beweislast für die Vergütung von Überstunden

Worum geht es?

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 4.5.2022 seine frühere Rechtsprechung zur Darlegungs- und Beweislast für die Vergütung von Überstunden bestätigt. Danach muss ein Arbeitnehmer, der eine Vergütung für geleistete Überstunden erhalten möchten, zweierlei darlegen und beweisen:

  • Die Überstunden sind angefallen. Der Arbeitnehmer hat mehr Arbeit als normal geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers dazu bereitgehalten.
  • Der Arbeitgeber hat die geleisteten Überstunden ausdrücklich oder konkludent angeordnet, geduldet oder nachträglich gebilligt.

Ist das eine neue Entwicklung?

Nein. Mit der Entscheidung bestätigt das BAG seine bisherige Rechtsprechung zur Darlegungs- und Beweislast der Arbeitnehmer:innen bei der Geltendmachung von Vergütungsansprüchen für Überstunden.

Bringt die Entscheidung dennoch neue Erkenntnisse?

Ja! Grund dafür ist die Einordnung der Rechtsprechungslinie in das bisherige Entscheidungsgefüge der Gerichte. 2019 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit seinem sogenannten Stechuhr-Urteil eine aufmerksamkeitserregende Entscheidung zur Verpflichtung des Arbeitgebers zur Arbeitszeiterfassung getroffen. Danach ist der Arbeitgeber verpflichtet, ein objektives, verlässliches und zugängliches Arbeitszeiterfassungssystem einzuführen.

Die Begründung für diese Verpflichtung leiten die Luxemburger Richter:innen aus der Arbeitszeitrichtlinie und der Charta der Grundrechte der EU ab. Sie regeln die Arbeitszeit im arbeitsschutzrechtlichen Sinn. Arbeitnehmer:innen sollen durch die Begrenzung der höchstzulässigen Arbeitszeit vor Gesundheitsgefährdungen geschützt werden. Klarer Fokus der EuGH-Entscheidung ist der Arbeitsschutz!

Das Stechuhr-Urteil hat die Frage aufgeworfen, ob es dem Arbeitgeber im Überstundenvergütungsprozess zum Nachteil gereicht, wenn er die Verpflichtung zur Einführung eines Arbeitszeiterfassungssystems nicht umsetzt. So hat das Arbeitsgericht Emden entschieden, ein Arbeitnehmer sei dann nicht mehr beweispflichtig für die arbeitgeberseitige Veranlassung von Überstunden.

Dieser Rechtsprechung hat das BAG jetzt eine Absage erteilt. Bei der Frage nach der Bezahlung von Überstunden sei die Vergütung betroffen, nicht der Arbeitsschutz. Das EuGH-Urteil zur Arbeitszeiterfassung verlagere die Beweislast im Überstundenvergütungsprozess daher nicht auf den Arbeitgeber.

Was bedeutet das für Arbeitgeber?

Die Rechtsprechung zur Arbeitszeiterfassung des EuGH senkt nicht die prozessualen Hürden, die Arbeitnehmer:innen überwinden müssen, um die Vergütung von Überstunden einzuklagen. Die Entscheidung ist zu begrüßen, denn sie verschafft den Arbeitsvertragsparteien wieder die Rechtssicherheit, die vor der EuGH-Entscheidung bestanden hat.

Dies ändert nichts an der Verpflichtung des Arbeitgebers, die Vorgaben zur Arbeitszeiterfassung einzuhalten, mit dem Ziel, die Anforderungen des Arbeitszeitrechts zu erfüllen.

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Michael Huth

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