Von privaten Gegenständen ausgehende Gefahren: Arbeitsunfall im Homeoffice?
Hintergrund
Immer mehr Menschen arbeiten zumindest teilweise von zu Hause aus. Dabei liegt es in der Natur der Sache, dass auch private Gegenstände genutzt werden, um die Tätigkeit verrichten zu können. Beispielsweise ist es unzweifelhaft notwendig, den Raum, in dem gearbeitet wird, zu beheizen. Doch was passiert, wenn die Verwendung von privaten Gegenständen zu einem Unfall führt? Handelt es sich dann dennoch um einen Arbeitsunfall?
Aktuelles Beispiel für einen Unfall aus der Rechtsprechung
Ein selbstständiger Busunternehmer nutzte in seinem privaten Wohnhaus das Wohnzimmer als häuslichen Arbeitsplatz für Büroarbeiten. Am Unfalltag holte er mittags seine beiden Kinder von der Schule ab und setzte sich anschließend zum Arbeiten an seinen Schreibtisch. Nachdem er festgestellt hatte, dass die Heizkörper im ganzen Haus kalt waren, ging er zur Überprüfung der Kesselanlage in den Heizungskeller. Er wollte seine betriebliche Tätigkeit bei höheren Zimmertemperaturen fortsetzen. Beim Hochdrehen des Temperaturschalters kam es aufgrund eines Defekts der Heizungsanlage zu einer Verpuffung im Heizkessel. In deren Folge sprang die Zugluftklappe in der Kaminwand heraus und traf den Mann im Gesicht. Dabei erlitt er u.a. eine schwere Augenverletzung.
Einschätzung der ersten Instanzen
Die zuständige Berufsgenossenschaft Verkehr wie auch das Sozialgericht und das Landessozialgericht lehnten die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab: Der Unternehmer habe die Heizung u.a. deshalb reguliert, um seine Kinder mit Wärme zu versorgen. Sie erkannten aber an, dass er außerdem seine betriebliche Tätigkeit bei höheren Temperaturen weiterführen wollte. Er habe daher das Hochdrehen des Temperaturschalters zugleich mit einer Handlungstendenz ausgeführt, die objektiv dem Geschäftsbetrieb diente. Daran ändere sich nichts, wenn der Kläger die Heizung auch zum Zweck der Erwärmung der privaten Räume bedient habe. Allerdings fehle es am nötigen Ursachenzusammenhang, weil ausschließlich die defekte Heizungsanlage wesentliche Bedingung für die Verpuffung gewesen sei. Solche der privaten Wohnung innewohnenden Risiken seien als „eingebrachte Gefahren“ grundsätzlich nicht vom Arbeitgeber, sondern vom Versicherten zu verantworten.
Arbeitsunfall laut Bundessozialgericht
Das Bundessozialgericht (BSG) hingegen gab dem Kläger recht. Nach dessen Ansicht stand das den Unfall auslösende Drehen am Temperaturregler der Heizung in einem sachlichen Zusammenhang mit der Tätigkeit im Homeoffice. Die Benutzung des Temperaturreglers war insoweit objektiv unternehmensdienlich und damit der Heizungsdefekt nicht mehr ein unversichertes Risiko aus dem privaten Lebensbereich. Laut BSG ist eine „eingebrachte Gefahr“ kein Rechtsprinzip, das den Ursachenzusammenhang hindert. Es handelt sich vielmehr um eine zusammenfassende Bezeichnung für unversicherte Ursachen, die der Wesentlichkeit versicherter Ursachen entgegenstehen. Bei unternehmensdienlichen Verrichtungen sind jedoch auch im Homeoffice die von privaten Gegenständen ausgehenden Gefahren versichert.