Vorsteuerabzug aus der Erschließung eines Gewerbegebiets

Strittiger Vorsteuerabzug aus Erschließung

Klägerin ist eine GmbH, die gegründet wurde, um Gewerbegebiete in der Stadt N. zu erschließen. Beteiligt sind an der Klägerin die Stadt N. zu 85 % sowie eine Bank (15 %). Die Stadt brachte hierzu die in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke in die GmbH unter der Bedingung ein, dass die GmbH diese erschließt. Die Erschließung wurde von der Stadt auf die Klägerin nach § 124 Baugesetzbuch übertragen. Nach erfolgter Erschließung veräußerte die Klägerin die Grundstücke an Unternehmen. Hierbei optierte sie zur Umsatzsteuer und machte die Vorsteuer aus der Erschließung geltend. Im Anschluss an eine Prüfung versagte das Finanzamt den Vorsteuerabzug. Demnach sind die Erschließungsanlagen nach Fertigstellung als öffentliche Straßen unentgeltlich auf die Stadt übertragen worden. Ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der Erschließung und den Verkäufen der Grundstücke fehlt. Auch würde sich bei Gewährung des Vorsteuerabzugs eine Wettbewerbsverzerrung ergeben, da die Stadt ebenso selbst die Grundstücke hätte veräußern können, ohne dass ihr hierfür ein Vorsteuerabzug zugestanden hätte.

Die GmbH erhob nun Klage. Ein Vorsteuerabzug stehe ihr zu, da ein Verkauf der Grundstücke deren vorherige Erschließung voraussetze.

Finanzgericht lässt vollen Vorsteuerabzug zu

Laut Finanzgericht steht der Klägerin ein Vorsteuerabzug aus der Erschließung zu. Die Erschließung der Grundstücke ist als Gegenleistung für die Übertragung der Grundstücke durch die Stadt anzusehen (tauschähnlicher Umsatz). Dass die entsprechenden Verträge keine Gegenleistung vorsehen, ist unerheblich, da sich die Klägerin wirtschaftlich zur Erschließung verpflichtet hat als Voraussetzung für die Übertragung der Grundstücke. Selbst wenn dieser Auffassung nicht gefolgt würde, stehe der GmbH im Wesentlichen der Vorsteuerabzug aus den Kosten der Erschließung zu, da diese als allgemeine Kostenelemente der umsatzsteuerpflichtig gelieferten Grundstücke anzusehen seien. Die hypothetischen Überlegungen des Finanzamts zum möglichen Vorsteuerabzug der Stadt sind laut Finanzgericht irrelevant, da die Tätigkeit der Klägerin zu beurteilen ist.

Verjährung rettet Klägerin vor zusätzlicher Umsatzsteuerschuld

Das Finanzgericht kommt damit zu einem Ergebnis, mit dem weder die Klägerin noch das Finanzamt gerechnet haben. Denn es gewährt den vollen Abzug der Vorsteuer aus den Erschließungskosten, da diese in unmittelbarem Zusammenhang mit dem tauschähnlichen Umsatz zwischen der Klägerin und der Stadt stehen. Die Klägerin hatte den Vorsteuerabzug aufgrund des mittelbaren Zusammenhangs mit den Verkäufen der Grundstücke geltend gemacht. Bezogen auf den Fall ist das Ergebnis für die Klägerin und die Stadt erfreulich. Allerdings nur, weil das Finanzgericht keine Konsequenzen aus dem tauschähnlichen Umsatz gezogen hat, da dieser verjährt war. Ohne Verjährung hätte die Klägerin hierfür Umsatzsteuer in Rechnung stellen müssen, die für die Stadt nicht als Vorsteuer abzugsfähig gewesen wäre. Es zeigt sich, dass derartige Vereinbarungen genauestens zu würdigen sind. Hierbei ist auch zu beachten, dass das Finanzgericht die Revision beim Bundesfinanzhof zugelassen hat. 

Finanzgericht Münster vom 29.8.2023 – 15 K 871/22

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