Vertriebskartellrecht: Warum es immer noch keine Rolex auf eBay gibt

Warnung vor Beschränkungen des Online-Handels in Vertriebsverträgen 

Der Bußgeldfall der EU-Kommission gegen Rolex (91,6 Mio. €) zeigte exemplarisch die Bedeutung des Vertriebskartellrechts im Online-Handel: Rolex hatte seinen Händlern über zehn Jahre lang den Internetvertrieb untersagt, um Parallelhandel und Fälschungen zu bekämpfen. Dies ging aber zulasten der Markterweiterung für Händler und der Wahlfreiheit der Endkund:innen, stellte also ein Wettbewerbsverbot dar. Dies gibt Anlass, auf die aktuelle Gruppenfreistellungs-Verordnung (EU) 2022/720 („Vertikal-GVO“) sowie die dazu von der EU-Kommission veröffentlichten Leitlinien aufmerksam zu machen.

Kernstruktur der Vertikal-GVO

  • Marktanteilsgrenze: Vertikale Vereinbarungen werden bis zu 30 % Marktanteil auf vorgelagerten und nachgelagerten Vertriebsstufen (z.B. Hersteller und Händler) vom Kartellverbot des Art. 101 im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) „gruppenfreigestellt“.
  • Online-Vermittlungsdienste (z.B. Amazon Marketplace, eBay) werden als Anbieter (Händler) definiert und fallen unter dieselben Regelungen.
  • „Schwarze Klauseln“ (z.B. vollständiges Internetverkaufsverbot) entziehen der gesamten Vereinbarung die Freistellung, mit der Folge, dass ein Verstoß gegen das Kartellverbot besteht und der Vertrag nichtig ist.
  • „Graue Klauseln“ (z.B. weite Bestpreisklauseln bei booking.com) verlieren nur für sich die Gruppenfreistellung vom Kartellverbot.
  • Übersteigt der Marktanteil die Grenze, ist eine Einzelfreistellung (Selbsteinschätzung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV) erforderlich.

Praxisrelevante Besonderheiten

  • Informationsaustausch zwischen Wettbewerbern: Der Datenaustausch muss unmittelbar der Produktions- oder Vertriebsverbesserung dienen. Ein monatlicher Austausch geplanter Weiterverkaufspreise etwa zwischen Importeur und Händler ist nicht freigestellt, da er den Wettbewerb verzerren kann. Zulässig bleibt der Austausch technischer Absatz- oder Lagerbestandsdaten, wenn er Logistikprozesse optimiert und nur minimalen Einfluss auf Preise nimmt.
  • Plattformverbote und Drittplattformregelungen: Hersteller können den Verkauf über ausgewählte Marktplätze, wie eBay oder Amazon Marketplace, untersagen, ohne den Internetvertrieb insgesamt zu sperren. Rolex verhängte 2015 ein eBay-Verkaufsverbot, das nationalen Parallelimport beschränkte und so als zulässige qualitative Vorgabe gewertet wurde, solange Händler über eigene Online-Shops passive Verkäufe abwickeln konnten.
  • Online-Werbe- und Preisvergleichsmaschinen: Verträge, die Händlern untersagen, Preise in Vergleichsportalen, wie idealo, einzustellen, gelten als Kernbeschränkung und entziehen dem ganzen Vertrag die Freistellung. Hingegen sind Vorgaben über Produktpräsentation oder Mindestservicelevel als zulässige Qualitätsanforderung anerkannt, sofern alternative Werbekanäle offenbleiben.
  • Doppelpreissysteme (Dual Pricing): Unterschiedliche Großhandelspreise für Online- und Offline-Vertrieb sind nunmehr explizit toleriert. Hersteller dürfen Online-Händlern einen leicht höheren Großhandelspreis berechnen, um Vertriebs- und Servicekosten auszugleichen, solange der Online-Vertrieb nicht wirtschaftlich unattraktiv wird.
  • Exklusivrechte und Alleinvertrieb: Exklusivrechte für bis zu fünf Vertragshändler je Land bleiben freigestellt, inklusive Weitergabeverboten gegenüber nachgelagerten Händlern. So kann z.B. ein Uhrenhersteller Vertriebszonen via länderspezifische Domains festlegen, ohne die Freistellung vom Kartellverbot zu riskieren.
  • Aktive versus passive Verkaufsbeschränkungen: Aktive Verkaufsbeschränkungen (z.B. gezielte Ansprache ausländischer Endkund:innen über Domain-Suffixe) sind zulässig, solange passive Verkäufe (dieselben Endkund:innen kaufen auf eigene Initiative) nicht blockiert werden.

Fazit

Die aktuelle Vertikal-GVO setzt klare Akzente für den Online-Vertrieb. Klauseln von Vertriebsverträgen sollten nach der neuen Vertikal-GVO nun besonders auch daraufhin überprüft werden, ob sie den Online-Handel unzulässig beschränken oder als legitime Marktgestaltung gelten. Das hat sowohl bei der Vertragsgestaltung als auch bei der Vertragsprüfung z.B. im Rahmen einer Due Dilligence erhebliche praktische Relevanz.  

Dr. Alexander Hardt

Rechtsanwalt / Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht / Director

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