Versandhandel: Rechnungskorrektur nach Übersehen der Lieferschwelle
Rechtslage
Versandhandelsumsätze an Privatpersonen (Nichtunternehmer) in der EU sind grundsätzlich dort zu besteuern, wo der Kunde sitzt. Sofern allerdings die länderspezifischen Lieferschwellen nicht überschritten sind, kann mit deutscher Umsatzsteuer abgerechnet werden. Derzeit erfordert die Deklaration im EU-Ausland die dortige Registrierung und Deklaration vor Ort. Voraussichtlich ab dem 1.7.2021 werden die länderspezifischen Lieferschwellen durch eine einheitliche, erheblich reduzierte Lieferschwelle ersetzt. Die Deklaration kann dann aber unter bestimmten Voraussetzungen vom Inland aus über das „(Mini) One Stop Shop“-Verfahren, kurz (M)OSS, erfolgen. Aktuell gilt noch das MOSS-Verfahren, welches ab dem 1.7.2021 vom OSS-Verfahren abgelöst werden soll. Damit ist MOSS sozusagen der Vorreiter von OSS.
Fall
Trotz Überschreitens der Lieferschwelle nach Österreich rechnete der Kläger in den Jahren 2004 bis 2014 die Umsätze mit deutscher Umsatzsteuer ab. Aufgrund einer Anfrage des österreichischen Fiskus erklärte der Kläger die Umsätze für 2009 bis 2014 in Österreich nach; nicht jedoch für 2004 bis 2008, da für diese Jahre die Festsetzungsverjährung eingetreten war. Nachdem das zuständige Finanzamt in Deutschland zwecks Erstattung der bisher für diese Umsätze in Deutschland abgeführten Umsatzsteuer Rechnungskorrekturen forderte, berichtigte der Kläger die Rechnungen. Für die Kunden änderte sich nichts, da der Kläger den Bruttobetrag unverändert ließ. Das deutsche Finanzamt verweigerte aber weiterhin die Erstattung der Umsatzsteuer für die in Österreich verjährten Jahre: Der Kläger habe keine Rückzahlung der von ihm nicht mehr in Österreich abzuführenden Umsatzsteuer an die Kunden vorgenommen und sei so ungerechtfertigt bereichert.
Urteil
Das Finanzgericht München stellt zunächst fest, dass die infrage stehenden Rechnungen die deutsche Umsatzsteuer unberechtigt ausweisen und diese bis zur Korrektur der Rechnungen geschuldet wird. Dies gilt auch dann, wenn die Kunden tatsächlich keinen Vorsteuerabzug vornehmen können. Eine Pflicht zur Rückzahlung der Umsatzsteuer sieht das Finanzgericht jedoch nicht, da in den allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) Bruttofestpreise vereinbart waren. Der Kläger sei daher nicht ungerechtfertigt bereichert. Das Finanzamt muss die Umsatzsteuer erstatten.
Konsequenz
Das Urteil zeigt zunächst, dass das Finanzamt Korrekturen der Rechnungen fordern darf. Allerdings bedarf es bei den im Versandhandel üblichen Bruttofestpreisen keiner Rückzahlung an die Kunden, um die Erstattung der fälschlicherweise in Deutschland abgeführten Umsatzsteuer zu erhalten. Der Fall zeigt aber auch, dass die Finanzämter häufig nicht gewillt sind, die Umsatzsteuer ohne Weiteres zu erstatten, auch wenn der Nachweis der Nachversteuerung in einem anderen Mitgliedstaat erbracht wurde. Dies kann für Versandhändler existenzbedrohende Folgen haben, wenn Rechnungskorrekturen nicht mehr möglich sind. Ob dies dem Grundsatz der Neutralität der Umsatzsteuer entspricht, sei dahingestellt. Versandhändler können dies einfach vermeiden, indem sie zutreffend deklarieren, das heißt die Lieferschwellen regelmäßig überprüfen und bei Überschreiten im EU-Ausland die Umsatzsteuer abführen. Gerade in diesem Jahr, in dem die Lieferschwellen massiv reduziert werden sollen, ist dies zu beachten.