Verfassungsmäßigkeit der Mindestbesteuerung – Beschluss des BVerfG
Mindestbesteuerung im Überblick
Die Mindestbesteuerung regelt, wie Unternehmen Verluste aus Vorjahren steuerlich nutzen dürfen. Seit 2004 können Verluste bei der Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer nur begrenzt mit künftigen Gewinnen verrechnet werden. Bis zu einem Sockelbetrag von 1 Mio. € ist der Verlustvortrag in voller Höhe möglich. Darüber hinaus dürfen nur 60 % (derzeit befristet 70 %) des den Sockelbetrag übersteigenden Gewinns mit Verlustvorträgen verrechnet werden. Der verbleibende Gewinn unterliegt der regulären Besteuerung – auch wenn noch nicht genutzte Verluste vorhanden sind. Diese Systematik nennt sich Mindestbesteuerung oder Mindestgewinnbesteuerung.
Verfassungsrechtliche Streitfragen: Gleichbehandlung und Definitiveffekt
Gegenstand der verfassungsrechtlichen Überprüfung waren allerdings ausschließlich die Normen im Körperschaft- und Gewerbesteuergesetz. Kern der Diskussion war die Frage, ob die Mindestbesteuerung gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verstößt. Besonders kritisch wurde der sogenannte Definitiveffekt gesehen: In Fällen, in denen Unternehmen – etwa nach Insolvenz – ihre Verlustvorträge endgültig nicht mehr nutzen können, führt die Mindestbesteuerung dazu, dass Verluste steuerlich unberücksichtigt bleiben. Aus Sicht der Kritiker entsteht dadurch eine leistungsfähigkeitswidrige Substanzbesteuerung, da trotz fehlender wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit Steuern anfallen.
Der Bundesfinanzhof hatte in seinem Vorlagebeschluss zwar anerkannt, dass die Mindestbesteuerung in ihrer Grundkonzeption verfassungsgemäß sei. Im Einzelfall – etwa bei bilanzsteuerrechtlichen „Umkehreffekten“ und endgültigem Verlustverfall – sah er jedoch eine mögliche Überschreitung der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Detail
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit Beschluss vom 23.7.2025 entschieden, dass die Mindestbesteuerung mit dem Grundgesetz – sowohl in ihrer Grundkonzeption als auch in Sonderfällen mit Definitiveffekt – vereinbar ist.
Wesentliche Begründungspunkte des Gerichts:
- Die gesetzliche Typisierung der Mindestbesteuerung ist sachlich gerechtfertigt. Ziel ist eine kontinuierliche und gegenwartsnahe Besteuerung sowie die Verstetigung staatlicher Einnahmen.
- Auch der Definitiveffekt (endgültiger Verlustverfall) überschreitet die Grenzen zulässiger Typisierung nicht. Einzelne Härten sind verfassungsrechtlich hinzunehmen, solange sie durch die Systematik und den Zweck der Regelung begründet sind.
- Die Regelung ist weder willkürlich noch verletzt sie den Gleichheitssatz. Der Gesetzgeber darf typisierende Regelungen treffen, um das Steuersystem praktikabel zu halten.
- Die Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) und das objektive Nettoprinzip werden nicht verletzt, da die Mindestbesteuerung keine unverhältnismäßige Belastung darstellt.
Konsequenzen für Unternehmen und steuerliche Gestaltung
Die Entscheidung schafft Rechtssicherheit: Unternehmen können sich nicht auf eine unbegrenzte Verlustnutzung berufen. Die Mindestbesteuerung bleibt integraler Bestandteil des Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuerrechts. Für die Praxis bedeutet dies, dass Verlustvorträge frühzeitig und strategisch genutzt werden sollten, insbesondere bei bevorstehenden Umstrukturierungen, Liquidationen oder Sanierungen. Die damit verbundene steuerliche Planung ist essenziell, um einen endgültigen Wegfall von Verlustvorträgen nach Möglichkeit zu vermeiden. Hierbei unterstützen Sie unsere Expert:innen gerne.