Vorschläge zur Reform des Umsatzsteuerverfahrensrechts
Ausgangslage: Theorie und Praxis
In der EU gilt der Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer. Das heißt eigentlich sollen nur die Endverbraucher mit Umsatzsteuer belastet werden. Die Unternehmen dienen lediglich der „Eintreibung“ der Umsatzsteuer. Leider sieht die Praxis anders aus. Unternehmen müssen empfindliche Nachzahlungen hinnehmen, da die umsatzsteuerlichen Folgen des eigenen Tuns nicht bekannt oder zumindest unsicher sind. Versuche die Rechtslage zu klären, z.B. durch verbindliche Auskünfte, sind in der Praxis aus diversen Gründen zumeist untauglich.
Reformvorschläge der BStBK und des BDI
Die Bundessteuerberaterkammer (BStBK ) und der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) wollen nun die Ausgangslage für die Unternehmen verbessern: nicht durch eine Vereinfachung des Umsatzsteuerrechts, sondern durch Änderungen des Verfahrensrechts. Hierdurch soll eine einfachere, kostengünstigere und zeitnahe Klärung der umsatzsteuerlichen Erfassung der betrieblichen Vorgänge ermöglicht werden.
Die „Problemfelder“ (Beispiele)
Gerade in den nachfolgend dargestellten Sachverhalten gibt es regelmäßig Diskussionen, wie richtig zu deklarieren ist:
- Unternehmensverkauf (nicht steuerbare Geschäftsveräußerung oder steuerbar?)
- Vertragsauflösungen (steuerpflichtige Leistung oder nicht steuerbarer Schadensersatz?)
- Steuersatz (ermäßigt, Regel- oder Nullsteuersatz?)
- Reverse-Charge-Verfahren oder Regelbesteuerung?
- Liegt eine umsatzsteuerliche Organschaft vor?
- Abweichende Beurteilung von Sachverhalten in anderen Mitgliedstaaten (Reihengeschäfte, Ortsbestimmung von Dienstleistungen)
Werden diese Sachverhalte aus Sicht der Finanzbehörden „falsch“ beurteilt, so führt dies zu Nachzahlungen oder kostspieligen Klärungen vor den Finanzgerichten.
Aktuelles verfahrensrechtliches Instrumentarium
Allen Beispielen ist gemein, dass den Beteiligten in der Praxis, sofern Sie vernünftig beraten sind, bekannt ist, welche Konsequenzen die jeweilige umsatzsteuerliche Beurteilung hat. Es kann aber nicht rechtssicher geklärt werden, was der Sachverhalt nun aus Sicht der beteiligten Finanzverwaltungen wirklich darstellt. Der Unsicherheit können die Unternehmen u. a. durch Auskünfte und adäquate zivilrechtliche Steuerklauseln begegnen bzw. diese reduzieren. Die BStBK und der BDI weisen auf, dass gerade die Auskünfte, wenn sie überhaupt erteilt werden, nur bedingt tauglich sind. Steuerklauseln helfen dagegen durchaus. Allerdings besteht hier das Risiko, dass sie später faktisch nicht mehr durchgesetzt werden können.
Reformvorschläge (Beispiele)
Die BStBK sowie der BDI plädieren für folgende Reformen:
Vereinfachtes Auskunftsverfahren
Hierzu sollen die Finanzbehörden den am Umsatz Beteiligten verbindliche Auskünfte erteilen, sowohl vor Tätigung des Umsatzes als auch danach. Die übrigen am Umsatz Beteiligten sollen zum Verfahren hinzugezogen werden, um eine korrespondierende und rechtssichere Besteuerung sicherzustellen.
Feststellungsverfahren
Die umsatzsteuerliche Beurteilung der Besteuerungsgrundlagen oder des Steuerschuldners soll gesondert festgestellt werden, wenn diese zwischen den Beteiligten oder deren Finanzämtern unterschiedlich beurteilt werden.
Ausweitung der Änderungsvorschriften
Steuerfestsetzungen sollen änderbar sein, wenn sich nachträglich herausstellt, dass der Sachverhalt bei einem der am Umsatz Beteiligten anders beurteilt wird. Hiermit wird z.B. verhindert, dass einer der Beteiligten Umsatzsteuer nachzahlen muss, während dem anderen aufgrund bestandskräftiger Veranlagungen der Vorsteuerabzug versagt wird, z.B. bei Rechnungsberichtigung mit Rückwirkung.
Abschaffung der Vollverzinsung bei korrespondierenden Fehlern
Sofern Sachverhalte von den Beteiligten falsch beurteilt werden, es in der Summe aber für die Finanzverwaltung um ein „Nullsummenspiel“ handelt, soll auf eine Verzinsung verzichtet werden.
Einführung von Verständigungsverfahren in der EU
Ziel solcher Verfahren ist eine abgestimmte und korrespondierende umsatzsteuerliche Erfassung grenzüberschreitender Sachverhalte in den EU-Mitgliedstaaten.
Fazit: So geht Bürokratieabbau
Würden die Vorschläge umgesetzt, so dürfte das zu einer echten Entlastung der Unternehmen, der Finanzverwaltung und der Finanzgerichte führen. Aus Sicht der Praxis ist es daher mehr als wünschenswert, dass sich der Gesetzgeber hiermit auseinandersetzt. Unabhängig davon, ob der Gesetzgeber hier reformbereit ist, empfehlen wir Ihnen die Lektüre der Reformvorschläge. Es sensibilisiert Sie als Unternehmer für die bestehenden Probleme und zeigt, dass einfache Lösungen leider rar sind. Wenn Sie also glauben „das kann doch gar nicht wahr sein“, dann schauen Sie in die Unterlage. Das macht es zwar nicht besser, zeigt aber die Realität.
BStBK, BDI vom 7.3.2025