Kündigung wegen beleidigender Äußerungen bei WhatsApp

Was ist passiert?

Der klagende Arbeitnehmer war Teil einer WhatsApp-Chatgruppe mit sechs weiteren Arbeitskolleg:innen. Alle Teilnehmer:innen der Gruppe waren langjährig befreundet und teilweise verwandt. In dieser Chatgruppe wurden meist rein private Themen aufgegriffen. Der Kläger äußerte sich in der Gruppe allerdings auch in „beleidigender und menschenverachtender Weise über Vorgesetzte und Arbeitskollegen“. Nachdem die beklagte Arbeitgeberin von der Äußerung des Klägers in der Chatgruppe Kenntnis erlangt hatte, kündigte sie das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich fristlos. Der Kläger wehrte sich gegen die Kündigung und legte Kündigungsschutzklage ein. 

BAG: Berechtigte Vertraulichkeitserwartung in kleiner Chatgruppe nicht stets gegeben

Die Vorinstanzen sahen die Kündigung als ungerechtfertigt an, da der Kläger berechtigterweise davon ausgehen durfte, dass die Chatnachrichten in der Chatgruppe vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergeleitet werden. Deshalb sahen die Vorinstanzen einen Kündigungsgrund im konkreten Fall als nicht gegeben an. Das BAG sah das anders. Nach seiner Auffassung kann eine Vertraulichkeitserwartung nur dann berechtigt sein, wenn die Mitglieder der Chatgruppe den besonderen persönlichkeitsrechtlichen Schutz einer Sphäre vertraulicher Kommunikation in Anspruch nehmen können. Dies sei abhängig von dem Inhalt der ausgetauschten Nachrichten sowie der Größe und personellen Zusammensetzung der Chatgruppe. Bei beleidigenden Äußerungen über Arbeitskolleg:innen und Vorgesetzte bedürfe es einer besonderen Darlegung, weshalb der Kläger annehmen durfte, dass andere Mitglieder der Chatgruppe den Inhalt der Nachricht nicht an Dritte weitergeben werden. 

In diesem Sinne hob das BAG das Berufungsurteil teilweise auf und verwies die Sache zurück an das Landgericht. Der Kläger muss nun vor dem Landgericht darlegen, weshalb er angesichts der Größe der Chatgruppe, der unterschiedlichen Beteiligung der Gruppenmitglieder an den Chats und der Nutzung eines auf schnelle Weiterleitung von Äußerungen angelegten Mediums eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung haben durfte. 

Was heißt das nun für Arbeitgeber?

Die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung hatte bereits in der Vergangenheit mehrfach entschieden, dass Beleidigungen durch Arbeitnehmer:innen über ihre Vorgesetzten und Arbeitskolleg:innen in den sozialen Netzwerken eine erhebliche Ehrverletzung für Betroffene bedeuten und so einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen können. Die Entscheidung des BAG geht nun über diese Rechtsprechung hinaus, da es nicht um Beleidigungen in allgemein zugänglichen sozialen Netzwerken geht. Nun stellt das Gericht nämlich klar, dass auch eine kleine WhatsApp-Gruppe unter Freund:innen nicht automatisch ein geschützter privater Raum ist, in dem die Mitglieder eine Vertraulichkeit annehmen dürfen und arbeitsrechtliche Konsequenzen ausgeschlossen sind. Aus Arbeitgebersicht ist die Entscheidung zu begrüßen, da Arbeitgeber andernfalls selbst bei Kenntnis von der Beleidigung die Hände gebunden wären. Nicht zu übersehen ist jedoch, dass gerade die Abgrenzung zwischen geschützten privaten Räumen und einer nicht berechtigten Vertraulichkeitserwartung fließend sein dürften. Arbeitgeber sind deshalb gut beraten, nicht vorschnell von einem Kündigungsgrund auszugehen, sondern eine Abwägung im Einzelfall vorzunehmen und sich juristische Unterstützung einzuholen.

Michael Huth

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht

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Alexandra Hecht

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht

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Alexander Kirsch

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Transport- und Speditionsrecht

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