Konzernleihe auf dem Prüfstand: BAG zum Konzernprivileg bei Leiharbeit


Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat klargestellt, dass das in § 1 Abs. 3 Nr. 2 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) geregelte Konzernprivileg auch dann entfällt, wenn ein Arbeitnehmer zum Zweck der Überlassung eingestellt oder beschäftigt wird. Für Arbeitgeber bedeutet dies, dass sie bei der konzerninternen Arbeitnehmerüberlassung erhöhte Vorsicht walten lassen müssen.

Hintergrund des Urteils

Wer als Verleiher Arbeitnehmerüberlassung betreiben möchte, bedarf einer Erlaubnis nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG). Davon macht das Gesetz für den Verleih zwischen Konzernunternehmen eine Ausnahme in § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG:

„[…] wenn der Arbeitnehmer nicht zum Zweck der Überlassung eingestellt und beschäftigt wird“.

Dem gerichtlichen Verfahren lag ein Fall zugrunde, in dem ein Arbeitnehmer über einen Zeitraum von zwölf Jahren beim Vertragsarbeitgeber, der Verleiherfirma, angestellt war, die vertraglich geschuldete Tätigkeit jedoch auf dem Werksgelände eines konzernverbundenen Unternehmens, dem Entleiher, verrichtete. Der Kläger war der Auffassung, dass faktisch eine verdeckte Arbeitnehmerüberlassung vorlag und daher ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher bestand. Die Vorinstanzen folgten dieser Argumentation jedoch nicht. Sie gingen davon aus, dass das sogenannte Konzernprivileg greife, da der Arbeitnehmer nicht zugleich zum Zweck der Überlassung eingestellt und beschäftigt worden sei. Damit finde das AÜG keine Anwendung. Dem folgte das BAG nicht.

Begründung des Bundesarbeitsgerichts

Das BAG stellte klar, dass das Konzernprivileg auch dann nicht greift, wenn die Einstellung oder die Beschäftigung zum Zweck der Überlassung erfolgt. Die Konjunktion „und“ im Wortlaut des Gesetzes sei demnach nicht im kumulativen Sinne zu verstehen, sondern als Aufzählung. Wenn ein Arbeitnehmer also durchgehend bei einem anderen Konzernunternehmen eingesetzt wird, spreche dies regelmäßig für eine Beschäftigung mit dem Zweck der Überlassung – unabhängig vom ursprünglichen Einstellungswillen. Allerdings hat das BAG die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Dieses hat nun zunächst die erforderlichen Tatsachenfeststellungen zu treffen, um beurteilen zu können, ob eine Arbeitnehmerüberlassung im streitgegenständlichen Fall vorgelegen hat und das AÜG anzuwenden ist. Dies hängt jedoch entscheidend davon ab, in wessen Arbeitsorganisation der klagende Arbeitnehmer eingegliedert und wessen Weisungen er unterworfen war.

Folgen für die Praxis

Das Urteil verdeutlicht die Anforderungen an die Gestaltung konzerninterner Personaltransfers. Arbeitgeber müssen berücksichtigen, dass das Konzernprivileg nicht greift, auch wenn Mitarbeiter:innen in einem Konzernunternehmen eingesetzt werden. Insbesondere darf keine auf Dauer angelegte Überlassung bestehen. Vielmehr muss die grundsätzliche Möglichkeit einer Beschäftigung im Vertragsunternehmen weiterhin vorhanden sein. Daran fehlt es, wenn hierfür die Betriebsstruktur des Vertragsarbeitgebers keine Beschäftigungsmöglichkeit vorsieht.

Die Entscheidung des BAG steht daher im Einklang mit europäischem Recht und schützt den Leitgedanken des Gesetzgebers der zeitlich und sachlich begrenzten Arbeitnehmerüberlassung. Eine Einschränkung des Konzernprivilegs liegt damit nicht vor. Denn durch die Annahme einer kumulativen Voraussetzung, wie es die Instanzgerichte bisher taten, ließe sich im Ergebnis das Gesetz relativ einfach umgehen.

Wir raten daher dringend dazu, konzerninterne Einsätze auf ihre arbeitsrechtliche Zulässigkeit hin zu überprüfen. Eine dauerhafte Überlassung ohne Erlaubnis kann nämlich nicht nur zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher führen, sondern auch ordnungswidrigkeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12.11.2024 – 9 AZR 13/24

Michael Huth

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Zum Profil von Michael Huth

Julia-Isabel Hemsing

Rechtsanwältin

Zum Profil von Julia-Isabel Hemsing

Alexandra Hecht

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht

Zum Profil von Alexandra Hecht

Giulia Alatzides

Rechtsanwältin

Zum Profil von Giulia Alatzides

Kontakt

Nehmen Sie mit uns Kontakt auf

Mail Kontaktformular Telefon +49 228 81000 0 Newsletter Newsletter
Durch das Laden des YouTube Videos erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies durch YouTube und Google gesetzt werden, und dadurch Daten an diese Anbieter übermittelt werden. Wir verarbeiten die Daten um die Zugriffe auf unsere YouTube-Videos analysieren zu können oder die Wirksamkeit unserer Werbung und Anzeigen auszuwerten. YouTube und Google verarbeiten die Daten auch zu eigenen Zwecken. Zudem erklären Sie sich auch damit einverstanden, dass Ihre Daten in die USA übermittelt werden, obwohl in den USA das Risiko besteht, dass US-Behörden zu Überwachungszwecken Zugriff auf Ihre Daten erhalten und Ihnen dagegen möglicherweise keine ausreichenden Rechtsschutzmöglichkeiten zustehen. Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.
YouTube Video laden
Durch das Laden des Podcast-Players erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies durch Podigee gesetzt und dadurch Daten an diesen Anbieter übermittelt werden. Wir nutzen diese Daten, um die Zugriffe auf unsere Podcasts zu analysieren und die Wirksamkeit unserer Inhalte zu bewerten. Podigee verarbeitet die Daten auch zu eigenen Zwecken. Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Podcast-Player laden