Inkongruente Gewinnausschüttungen – nun auch durch Gesellschafterbeschluss möglich

Gewinnverteilung bei der GmbH

Grundsätzlich wird der Gewinn einer GmbH im Verhältnis der Geschäftsanteile verteilt. Eine steuerlich anerkannte abweichende Gewinnverteilung war bisher lediglich durch eine entsprechende Regelung im Gesellschaftsvertrag möglich. Dies konnte entweder durch die Aufnahme einer sogenannten Öffnungsklausel oder durch die konkrete Regelung der abweichenden Gewinnverteilung im Gesellschaftsvertrag geschehen.

Bundesfinanzhof: Gesellschafterbeschluss steuerlich maßgebend

Im BMF-Schreiben vom 4.9.2024 setzt die Finanzverwaltung ein Urteil des Bundesfinanzhofs vom 28.9.2022 um, in dem es um die steuerliche Anerkennung eines inkongruenten Gewinnausschüttungsbeschlusses ging.

Im Urteilsfall hatten (vereinfacht) die Gesellschafter:innen einer GmbH eine Vorabgewinnausschüttung beschlossen, die vollständig an nur eine Gesellschafterin verteilt und ausgezahlt wurde. Auf den anderen Gesellschafter entfiel somit keine Ausschüttung (betragsmäßig inkongruente Gewinnausschüttung). Der Gesellschaftsvertrag enthielt keine Regelungen zur Gewinnverteilung und keine Öffnungsklausel.

Der Bundesfinanzhof entschied, dass ein solcher punktuell satzungsdurchbrechender Gesellschafterbeschluss über eine inkongruente Vorabausschüttung der Besteuerung zugrunde zu legen sei. Der Beschluss müsse jedoch in jedem Fall zivilrechtlich wirksam sein und dürfe von keinem Gesellschafter anfechtbar sein. Des Weiteren könne er nur punktuell für diese Ausschüttung gelten. Satzungsdurchbrechende Gesellschafterbeschlüsse mit Dauerwirkung seien dagegen automatisch nichtig, wenn sie nicht allen materiellen und formellen Bestimmungen einer Satzungsänderung standhalten würden.

Dieser Auffassung hat sich die Finanzverwaltung im BMF-Schreiben (Rz. 4–5) angeschlossen. Das BMF-Schreiben vom 4.9.2024 ersetzt das alte BMF-Schreiben vom 17.12.2013 und ist in allen offenen Fällen anzuwenden.

Gewinnverwendung bei der GmbH

Unabhängig von der Gewinnverteilung entscheiden die Gesellschafter:innen einer GmbH vorab im Gewinnverwendungsbeschluss darüber, ob bzw. inwieweit der Gewinn der GmbH ausgeschüttet oder thesauriert wird. Thesaurierte Gewinne werden im Regelfall entweder in eine Gewinnrücklage eingestellt oder als Gewinn vorgetragen.

Bundesfinanzhof: Gespaltene Gewinnverwendung ist zulässig

Das BMF-Schreiben bestätigt ebenfalls die Ausführungen des Bundesfinanzhofs zur „gespaltenen Gewinnverwendung“.

Im zugrunde liegenden Urteilsfall hatten (vereinfacht) die Gesellschafter:innen einer GmbH beschlossen, dass der Gewinnanteil des Mehrheitsgesellschafters thesauriert werden sollte, während der Gewinnanteil des Mindergesellschafters an ihn ausgeschüttet wurde. Zu diesem Zweck wurde für den Mehrheitsgesellschafter eine gesellschafterbezogene Rücklage gebildet, die zu einem späteren Zeitpunkt aufgelöst und an diesen Gesellschafter ausgeschüttet werden konnte (zeitlich inkongruente Gewinnausschüttung). Im Gesellschaftsvertrag war eine solche „vom Verhältnis der Geschäftsanteile abweichende Gewinnausschüttung“ ausdrücklich vorgesehen.

Auch in diesem Fall entschied der Bundesfinanzhof: Ein zivilrechtlich wirksamer Gesellschafterbeschluss sei grundsätzlich steuerlich anzuerkennen. Die Einstellung des Gewinnanteils in die gesellschafterbezogene Rücklage führe nicht zum Zufluss von Kapitalerträgen. Daran ändere auch die – im Urteilsfall vorliegende – Stellung des beherrschenden Gesellschafters nichts, da die Zuweisung auf dem Rücklagenkonto noch keinen konkreten, auszahlbaren Gegenanspruch entstehen lasse.

Einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten (§ 42 AO) sah der Bundesfinanzhof hier ebenfalls nicht, da unterschiedliche Interessen der Gesellschafter:innen durchaus typisch und angemessen seien.

Auswirkungen auf die Praxis

Die Umsetzung der Urteile in dem BMF-Schreiben ist zu begrüßen, da sie eine deutlich höhere Flexibilität bei Gewinnausschüttungen von Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit sich bringen. Insbesondere bestehende Gesellschaftsverträge, in denen keine Bestimmungen zur abweichenden Gewinnverteilung getroffen wurden, können nach den vorgenannten Grundsätzen durch Gesellschafterbeschlüsse punktuell neu gestaltet werden. Im Fall einer geplanten gespaltenen Gewinnverwendung – beispielsweise aufgrund unterschiedlicher Liquiditätsbedarfe der Gesellschafter:innen – ist eine entsprechende Ergänzung des Gesellschaftsvertrags nun mit steuerlicher Wirkung möglich.

Stefan Hamacher, LL.M.

Steuerberater, Fachberater für Internationales Steuerrecht

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