Forderungsverzicht eines Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft gegen Besserungsschein
Die ertragsteuerliche Berücksichtigung ausgefallener Gesellschafterdarlehen bleibt ein Dauerthema in der Beratungspraxis. Mit Urteil vom 19.11.2024 hat der Bundesfinanzhof nunmehr zur steuerlichen Berücksichtigung eines Forderungsverzichts eines Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft gegen Besserungsschein Stellung genommen.
Zeitpunkt der steuerlichen Berücksichtigung eines Forderungsverzichts
Der Kläger war im Streitjahr 2009 zu 10 % als Kommanditist an einer KG beteiligt, die rückwirkend zum 31.12.2008 in eine GmbH formgewechselt wurde. Aufgrund der angespannten Finanzlage gewährte der Kläger der Gesellschaft Anfang 2009 ein krisenbestimmtes Darlehen, auf das er noch im selben Jahr gegen Besserungsschein verzichtete. Die Darlehensforderung war zum Verzichtszeitpunkt vollständig wertlos. Der Kläger begehrte den erlittenen Verlust aus dem Forderungsverzicht als negative Einkünfte aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen, was ihm jedoch das Finanzamt verweigerte. Zur Begründung führte es aus, dass im Zeitpunkt des Verzichts noch nicht endgültig feststand, dass der Besserungsfall nicht mehr eintreten werde. Dem ist der Bundesfinanzhof – wie bereits die Vorinstanz – entgegengetreten und hat entschieden, dass der Verlust aus einem Forderungsverzicht gegen Besserungsschein bereits im Veranlagungszeitraum des Verzichts zu berücksichtigen sei, weil ein solcher Forderungsverzicht auch zivilrechtlich zum sofortigen Wegfall der Forderung führt. Die Frage danach, ob der Eintritt des Besserungsfalls im Verzichtszeitpunkt endgültig ausgeschlossen ist, sei nicht entscheidend.
Forderungsverzicht und Einkünfteerzielungsabsicht
Die Richter:innen wiesen zudem darauf hin, dass eine Verlustberücksichtigung auch nicht an einer fehlenden Einkünfteerzielungsabsicht des Steuerpflichtigen scheitert, denn im Bereich der Einkünfte aus Kapitalvermögen ist eine Einkünfteerzielungsabsicht stets widerlegbar zu vermuten. Hierbei sind Einkünfte aus Gesellschafterdarlehen und Gesellschafterbeteiligung im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen. Folglich führt auch ein Forderungsverzicht nicht zwingend zur Widerlegung der Einkünfteerzielungsabsicht. Diese war im Streitfall daher zu bejahen und der Verlust aus dem Verzicht auf die wertlose Forderung als negative Einkünfte aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen.
Verluste aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG) vs. nachträgliche Anschaffungskosten (§ 17 Abs. 2a Nr. 2 EStG)
Der Urteilsfall behandelte eine Konstellation, in der das krisenbestimmte Darlehen nach dem 31.12.2008 (Einführung der Abgeltungsteuer), aber vor dem 31.7.2019 gewährt wurde, mithin zu einem Zeitpunkt vor Inkrafttreten des § 17 Abs. 2a EStG. Dieser regelt explizit die Berücksichtigung von Darlehensverlusten als nachträgliche Anschaffungskosten auf die Beteiligung an der Kapitalgesellschaft.
Zu Erinnerung: Soweit die Gewährung eines nach dem 31.7.2019 gewährten Darlehens oder dessen Stehenlassen in der Krise gesellschaftsrechtlich veranlasst ist, führt ein Verlust aus dem Verzicht auf die Darlehensforderung beim Gesellschafter zumindest dem Grunde nach stets zu nachträglichen Anschaffungskosten auf die Beteiligung (§ 17 Abs. 2a Nr. 2 EStG). Wurde das Darlehen hingegen vor dem 31.7.2019 gewährt, ist bei der Frage, ob ein Verlust aus dessen Ausfall steuerlich im Bereich des § 17 oder nach § 20 Abs. 2 EStG zu berücksichtigen ist, ist zu differenzieren: nach der jeweiligen Werthaltigkeit, dem Zeitpunkt des Kriseneintritts und der gesellschaftsrechtlichen Veranlassung des Darlehens. Je nach Konstellation kann es zu einer anteiligen Berücksichtigung in beiden Anwendungsbereichen sowie zu unterschiedlichen Verlustberücksichtigungszeitpunkten kommen.
Praxishinweis
Das Urteil ist zu begrüßen. Neben der Klarstellung, dass Verluste im Falle eines Forderungsverzichts gegen Besserungsschein bereits im Zeitpunkt des Verzichts zu berücksichtigen sind, arbeitet das Gericht heraus, dass sich die Vorschriften der §§ 17 und 20 Abs. 2 EStG in Altdarlehensfällen nicht gegenseitig ausschließen, sondern vielmehr ergänzen. So betonen die Richter:innen, dass ein Verlust, der zunächst nach § 20 Abs. 2 EStG als negative Einkünfte aus Kapitalvermögen vollständig zu berücksichtigen ist, im Falle der Auflösung der Kapitalgesellschaft (§ 17 Abs. 4 EStG) zu einem Anwendungsfall nachträglicher Anschaffungskosten führen kann. Um aber eine doppelte Verlustberücksichtigung im Falle einer späteren Auflösung der Kapitalgesellschaft zu vermeiden (erst über § 20 Abs. 2 EStG, dann noch einmal über § 17 EStG), sei die bisherige Berücksichtigung des Verlusts nach § 20 Abs. 2 EStG auf verfahrensrechtlicher Grundlage zu korrigieren. Welche Korrekturnorm hierfür in Betracht kommt, lässt das Gericht jedoch offen.
Bundesfinanzhof vom 19.11.2024 – VIII R 8/22