EuGH bestätigt Direktanspruch auf Umsatzsteuererstattung

Rechtslage

Die Rechtsprechung ermöglicht es Leistungsempfängern, rechtsgrundlos gezahlte Umsatzsteuer unter bestimmten Voraussetzungen direkt vom Fiskus erstatten zu lassen, statt diese vom Leistenden zu fordern (Direktanspruch). Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat den Direktanspruch zwar grundsätzlich anerkannt, die Hürden hierfür aber extrem hoch angesetzt. 

Direktanspruch auch bei zivilrechtlicher Verjährung? 

Der Kläger ist Land- und Forstwirt. Er kaufte in den Jahren 2011 bis 2013 Holz von verschiedenen Lieferanten ein und verkaufte dies anschließend als Brennholz. Der Einkauf erfolgte zum Regelsteuersatz, der Verkauf zum ermäßigten Steuersatz. Die Lieferanten führten die Umsatzsteuer korrekt ans Finanzamt ab. Nach einer Betriebsprüfung forderte das Finanzamt vom Kläger Umsatzsteuer nach, da der Verkauf des Brennholzes dem Regelsteuersatz unterliege. Der Kläger zog vor das Finanzgericht. Dieses gab ihm hinsichtlich des Verkaufs Recht. Allerdings würde auch der Einkauf dem ermäßigten Steuersatz unterliegen. Der Vorsteuerabzug des Klägers wurde entsprechend gekürzt. Der Kläger forderte seine Lieferanten auf, die Rechnungen zu berichtigen und die zu hohe Umsatzsteuer zurückzuzahlen. Die Lieferanten weigerten sich und beriefen sich auf die zivilrechtliche Verjährung. Der Kläger beantragte nun beim Finanzamt, die Umsatzsteuer aus Billigkeit zu erlassen. Dies lehnte das Finanzamt ab, da der Kläger selbst schuld sei. Der Kläger zog abermals vor das Finanzgericht. Dies hatte Zweifel, ob es mit der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL) vereinbar sei, dass der Fiskus gegebenenfalls zweimal zur „Kasse“ gebeten werde. Hintergrund ist, dass die Lieferanten die Rechnungen umsatzsteuerlich zeitlich unbegrenzt berichtigen können, was den Fiskus dem Risiko aussetze, den Kläger dann nicht mehr in Rückgriff zu nehmen. Das Finanzgericht legte daher den Fall dem EuGH vor.

EuGH: Risiko einer zweifachen Erstattung der Umsatzsteuer existiert nicht

Laut EuGH bedeutet der Grundsatz der Neutralität der Umsatzsteuer – vereinfacht – dass die Unternehmen nicht mit zu Unrecht erhobener Umsatzsteuer belastet werden sollen. Hierzu reicht ein System aus, dass es dem Lieferanten ermöglicht, irrtümlich an das Finanzamt gezahlte Umsatzsteuer zurückzufordern, sowie dem Erwerber, zivilrechtlich die entsprechende Rückzahlung der zu viel gezahlten Umsatzsteuer vom Lieferanten einzuklagen. Ist dies jedoch nicht möglich, so müssen die Mitgliedstaaten ein System vorsehen, dass den Erwerbern die Erstattung der zu Unrecht bezahlten Umsatzsteuer ermöglicht. Dies gilt nicht nur für Fälle der Insolvenz des Lieferanten. Das Risiko einer zweifachen Erstattung der Umsatzsteuer existiert nicht. Denn Lieferanten ist die Erstattung zu Unrecht in Rechnung gestellter Umsatzsteuer zu versagen, wenn feststeht, dass dieser Anspruch in betrügerischer Weise oder missbräuchlich geltend gemacht wird. Dies wäre der Fall, wenn sich die Lieferanten zunächst auf die Einrede der Verjährung berufen, um dann später die Erstattung der Umsatzsteuer beim Finanzamt einzufordern. Zuletzt weist der EuGH darauf hin, dass der Fiskus Verzugszinsen zahlen muss, wenn die zu Unrecht erhobene Umsatzsteuer nicht innerhalb einer angemessenen Frist erstattet wird.

Konsequenzen

Das Urteil ist erfreulich klar, strukturiert und konsequent. Die gute Nachricht für Sie ist: Niemand muss auf der zu Unrecht bezahlten Umsatzsteuer sitzen bleiben. Die gegenteilige Auffassung des BMF ist damit überholt. Sollten Sie daher feststellen, dass Sie zu Unrecht Umsatzsteuer an Ihre Lieferanten bzw. Dienstleister gezahlt haben, so empfiehlt sich folgendes Vorgehen: Zunächst fordern Sie die Berichtigung der Rechnungen an. Dies ist umsatzsteuerlich zeitlich unbegrenzt möglich. Ist der Leistende hierzu nicht bereit, ist die Korrektur zivilrechtlich einzuklagen. Sofern dies nicht möglich ist, beantragen Sie die Erstattung der zu viel gezahlten Umsatzsteuer beim Finanzamt im Billigkeitswege (Direktanspruch). Sollte das Finanzamt hierauf nicht zeitnah reagieren, können Sie zudem Verzugszinsen einfordern. Hierbei unterstützen wir Sie gerne. 

Unabhängig hiervon sollten Sie es in der Praxis erst gar nicht so weit kommen lassen. Prüfen Sie daher Ihre Eingangsrechnungen.

EuGH vom 7.9.2023 – C-453/22
BMF vom 12.4.2022

Gert Klöttschen

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