Erleichterungen bei der Entlastung von Kapitalertragsteuer
Am 17.3.2025 veröffentlichte das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) in Abstimmung mit dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) ein neues Merkblatt und am 31.3.2025 einen aktualisierten Fragebogen zur Entlastungsberechtigung von der Kapitalertragsteuer nach § 50d Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG). Diese Vorschrift wurde zuletzt durch das Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz („AbzStEntModG“) überarbeitet und dient als nationale Anti-Treaty-Shopping-Klausel. Ziel der Vorschrift ist es, steuerliche Missbrauchsgestaltung zu verhindern, bei denen Steuerpflichtige beispielsweise durch Zwischenschaltung ausländischer Gesellschaften ungerechtfertigte Steuerentlastungen erhalten.
Die Regelung des § 50d Abs. 3 EStG
Gewinnausschüttungen einer deutschen Körperschaft unterliegen dem Kapitalertragsteuerabzug von 26,375 % (Körperschaftsteuer zzgl. Solidaritätszuschlag) an der Quelle (sogenannte Quellensteuer). Sowohl für inländische als auch für ausländische Gesellschafter gibt es die Möglichkeit, eine (teilweise) Entlastung von der Quellensteuer zu erreichen. Ausländische Gesellschafter einer inländischen Körperschaft können eine Entlastung von der Kapitalertragsteuer im Wege der Freistellung oder der Erstattung beanspruchen. Dieser Anspruch kann auf ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA), die Mutter-Tochter-Richtlinie (§ 43b EStG) oder § 44a Abs. 9 EStG begründet sein. Unabhängig vom Entlastungsanspruch erfolgt zunächst der Einbehalt, die Anmeldung und Abführung der Kapitalertragsteuer und sodann die mögliche Entlastung. Nach § 50d Abs. 3 EStG kann ein solcher Entlastungsanspruch wiederum eingeschränkt oder vollständig verwehrt werden, wenn:
- die an der ausländischen Gesellschafterin beteiligten Personen bei hypothetischem Direktbezug nicht ebenfalls entlastungsberechtigt wären (persönliche Entlastungsberechtigung) oder
- die Beteiligung an der inländischen Körperschaft nicht in einem wesentlichen Zusammenhang mit einer Wirtschaftstätigkeit der ausländischen Gesellschaft steht, die über die reine Vermögensverwaltung hinausgeht (sachliche Entlastungsberechtigung).
Liegen weder die persönliche noch die sachliche Entlastungsberechtigung vor, wird gesetzlich ein Gestaltungsmissbrauch vermutet. Diese Vermutung kann widerlegt werden, wenn die Anteilseignerin nachweist, dass ihre Zwischenschaltung nicht primär steuerlichen Vorteilen dient (Motivtest). Die Missbrauchsvermutung gilt ebenfalls als entkräftet, wenn die Hauptgattung der Anteile an der ausländischen Gesellschafterin regelmäßig an einer anerkannten Börse gehandelt wird (sogenannte Börsenklausel).
Die wichtigsten Neuerungen des Merkblatts vom 17.3.2025
Lockerung der Sichtweise zur persönlichen Entlastungsberechtigung
Das Merkblatt bringt eine wesentliche Erleichterung bei der persönlichen Entlastungsberechtigung (§ 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 EStG). Bisher hat das BZSt darauf abgestellt, dass die unmittelbar oder mittelbar beteiligten Personen im selben Staat ansässig sind wie die Anteilseignerin („dieser Anspruch“). Nach der neuen Sichtweise des BZSt ist entscheidend, dass diese Personen einen identischen oder höheren hypothetischen Entlastungsanspruch hätten. Sollten die mittelbar beteiligten Personen einen geringeren Entlastungsanspruch haben, wird der Entlastungsanspruch der Antragstellerin entsprechend eingeschränkt.
Dies stellt eine deutliche Erleichterung dar, da bisher eine vollständige Ablehnung des Antrags drohte, wenn der hypothetische Entlastungsanspruch nicht auf derselben Rechtsgrundlage (z.B. § 43b EStG) basierte. Besonders relevant ist diese Änderung für in der EU ansässige Anteilseigner, deren Gesellschafter wiederum außerhalb der EU ansässig sind, da diese sich nicht auf die Vorteile der Mutter-Tochter-Richtlinie berufen konnten. Durch die Anpassung entfällt nun das Erfordernis derselben Rechtsgrundlage für den Entlastungsanspruch, was in der Praxis das Risikos einer vollständigen Versagung des Anspruchs erheblich reduzieren sollte.
Gleichbleibend hohe Anforderungen an die sachliche Entlastungsberechtigung
Die Kriterien der sachlichen Entlastungsberechtigung (§ 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 EStG) bleiben im Wesentlichen unverändert. Antragsteller müssen weiterhin nachweisen, dass sie aktiv am wirtschaftlichen Verkehr teilnehmen und einen für diese Tätigkeit angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb unterhalten. Zu den Nachweisen zählen unter anderem qualifiziertes Personal, Geschäftsräume sowie technische Kommunikationsmittel. Eine rein vermögensverwaltende Tätigkeit reicht nicht aus, um Anspruch auf Entlastung zu erheben. Konkret wird eine „über den Rahmen der Verwaltung eigenen bzw. fremden Vermögens hinausgehende Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr“ gefordert. Der Fragebogen zu § 50d Abs. 3 EStG wurde um einen Annex Beteiligungsverwaltung ergänzt. In diesem werden die Sichtweise des BZSt zur Einordnung von Holdinggesellschaften dargelegt und die Antragsteller ausdrücklich aufgefordert, die Gründe für ihre Einordnung als „aktive Beteiligungsverwaltung“ detailliert darzulegen.
Mit dem AbzStEntlModG wurde die „Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr“ als Tatbestandsmerkmal aus dem Gesetzeswortlaut gestrichen. Das Merkblatt des BZSt lässt jedoch erkennen, dass dieses an der bisherigen Auslegung festhält und dieses Kriterium in der Verwaltungspraxis weiterhin eine Rolle spielt.
Keine neuen Erkenntnisse in Bezug auf den Motivtest
Das Merkblatt bringt in Bezug auf den Motivtest keine neuen Erkenntnisse. Weiterhin ist eine umfassende Prüfung der steuerlichen und außensteuerlichen Gründe vorgesehen.
Erleichterte Widerlegung der Missbrauchsvermutung bei Anwendung der Börsenklausel
Nach bisheriger Auffassung des BZSt konnte die Börsenklausel auf nachgelagerter Beteiligungsebene nur dann zur Anwendung kommen, wenn ein hypothetischer Entlastungsanspruch auf derselben Rechtsgrundlage (bspw. demselben DBA) beruhte. Auch hier schafft das Merkblatt Erleichterung. So soll die Börsenklausel nunmehr auch bei einem identischen oder höheren Entlastungsanspruch auf nachgelagerter Beteiligungsebene Anwendung finden, wenn der Entlastungsanspruch auf einer anderen Rechtsgrundlage basiert. Vorausgesetzt wird dabei aber, dass bei mittelbarer Beteiligung auch sämtliche zwischengeschaltete Gesellschaften im Vergleich zur Antragstellerin einen identischen oder höheren Entlastungsanspruch hätten.
Fazit
Das neue Merkblatt und der dahingehend angepasste Fragebogen des BZSt zu § 50d Abs. 3 EStG bringen bedeutende Erleichterungen bei der Entlastung von der deutschen Kapitalertragsteuer. Besonders hervorzuheben sind die Lockerungen bei der persönlichen Entlastungsberechtigung sowie der Börsenklausel. Ein zentraler Vorteil besteht darin, dass bei mittelbaren Anteilseignern ein hypothetischer Entlastungsanspruch ausreicht, selbst wenn dieser nicht auf derselben Rechtsgrundlage basiert.
Gleichzeitig bleiben die Anforderungen des BZSt zur sachlichen Entlastungsberechtigung unverändert streng und hinter den unionsrechtlichen Vorgaben zurück. Die Anforderungen an eine aktive Geschäftstätigkeit, die über eine rein vermögensverwaltende Tätigkeit hinausgeht, bleiben bestehen. Dies stellt weiterhin eine erhebliche Hürde für Antragsteller dar, deren wirtschaftliche Tätigkeit sich auf Vermögensverwaltung beschränkt.
Obwohl das Merkblatt rechtlich nicht bindend ist, bietet es wertvolle Hinweise zur Auslegung des § 50d Abs. 3 EStG durch das BZSt. Antragsteller sollten daher prüfen, ob zuvor abgelehnte Entlastungsanträge im Licht der neuen Auslegung erneut eingereicht werden können. Wünschenswert wäre auch eine Aktualisierung des Merkblatts zur Abzugsteuer nach § 50a EStG gewesen.
Auch die Verlängerung der Gültigkeit von erteilten Freistellungsbescheinigungen von bisher drei auf fünf Jahre soll zur effizienteren Bearbeitung der Anträge beitragen und die Bearbeitungszeiten reduzieren.