Einführung von Commercial Courts in Deutschland
Englisch als Verhandlungssprache
Bisher ist die Gerichtssprache ausschließlich Deutsch; internationale Streitparteien können einen Dolmetscher hinzuziehen. Dies hält jedoch internationale Parteien davon ab, ihre Rechtsstreitigkeiten vor den deutschen staatlichen Gerichten auszutragen. Die neuen Kammern für internationale Handelssachen sollen Rechtsstreitigkeiten auf Englisch, der „lingua franca“ des internationalen Wirtschaftsverkehrs, ermöglichen. Nachdem einige Bundesländer Ende des Jahres 2020 bereits Commercial Courts eingeführt haben, soll es nun eine bundesweite Umsetzung geben.
Geplant ist, dass für die Commercial Courts erstinstanzlich Englisch als Verhandlungssprache vereinbart werden kann. Zudem wird gegen Entscheidungen von Commercial Courts die Revision zum Bundesgerichtshof in englischer Sprache eröffnet.
Anläufe, derartige spezielle Gerichte für internationale Wirtschaftsstreitigkeiten einzuführen, gab es bereits in den vergangenen Jahren. Vorherige Entwürfe sind gescheitert. Mit diesem Entwurf sollen einige Aspekte verändert werden.
Während sich die Reformbestrebungen zuvor im bewährten Drei-Instanzen-System der ordentlichen Zivilgerichtsbarkeit bewegten, wird nun eine flexiblere Lösung geschaffen. Es soll den Parteien freigestellt werden, ob sie ein zügigeres Verfahren oder eine zweite Tatsacheninstanz als wichtiger erachten. Dafür werden neben den englischsprachigen Kammern für internationale Handelssachen an den Landgerichten auch englischsprachige Senate an den Oberlandesgerichten für Streitwerte von über 2 Mio. € eingerichtet.
Auch neu: der Case Manager
Die wichtigste Neuerung neben der englischen Sprache ist die Einführung des Case Managements. Dieses Case Management zeichnet sich prozessual durch eine umfassende Prozessleitung des Richters in der Vorbereitungsphase vor einem zentralen Hauptverhandlungstermin aus und wird von Kooperationspflichten seitens der Parteien begleitet. Die Prozessordnung der Commercial Courts geben dem prozessleitenden Richter zahlreiche, flexibel einsetzbare Instrumente an die Hand, um den Prozess so effizient wie möglich zu gestalten. Wichtige Neuerungen sind die Festlegung von Schriftsatzstrukturen, der Einsatz von Verfahrenskalendern oder die Durchführung virtueller Organisationstermine. Zusätzlich sollen die bestehenden zivilprozessualen Regelungen zur Durchführung von Videoverhandlungen und Videobeweisaufnahmen noch flexibler und praxistauglicher gestaltet werden. Auch schriftliche Zeugenaussagen im Beweisverfahren werden möglich.
Gerichte können sich spezialisieren
Zusätzlich können sich die Gerichte spezialisieren, wie bereits im Oberlandesgerichtsbezirk Düsseldorf nur noch M&A-Streitigkeiten, im Oberlandesgerichtsbezirk Köln IT-Rechtsstreitigkeiten und im Oberlandesgerichtsbezirk Hamm Rechtsstreitigkeiten mit dem Schwerpunkt „Erneuerbare Energien“ verhandelt werden sollen. Eine Einrichtung von Zivilkammern, deren Spezialisierung sich an den Bedürfnissen regionaler Wirtschaftsstandorte orientiert, kann der wirtschaftlichen Stärkung dieser Standorte dienen. Die Gerichte könnten sich auch international einen Ruf erarbeiten und fortschrittlicher als die nicht-spezialisierten Commercial Courts unserer europäischen Nachbarn sein.
Es ist begrüßenswert, dass der deutsche Gesetzgeber trotz dreier bislang erfolgloser Versuche, weiterhin an Reformen für Wirtschaftsstreitigkeiten arbeitet. Die Regeln des neusten Entwurfs sind darauf ausgerichtet, den internationalen Standard der Schiedsgerichtspraxis im staatlichen Commercial Court zu etablieren. Dies ist eine wichtige Neuerung und birgt Hoffnung für eine erfolgreiche Einführung der Commercial Courts.