Bundesgerichtshof: Unbeschränkter Abruf der Daten ehemaliger Vorstandsmitglieder aus öffentlichen Registern kann rechtswidrig sein
Hintergrund des Urteils
Der Fall betraf einen ehemaligen Vorstandsvorsitzenden eines Vereins, der 20 Jahre nach seinem Ausscheiden aus dem Amt die Löschung seiner personenbezogenen Daten aus dem Vereinsregister verlangte. Diese Daten waren weiterhin unbeschränkt und ohne Darlegung eines berechtigten Interesses über das gemeinsame Registerportal der Länder im Internet abrufbar. Der Antragsteller argumentierte, dass die fortlaufende Verfügbarkeit seiner Daten gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) verstoße und ein Risiko für Missbrauch darstelle.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs
Der Bundesgerichtshof entschied, dass ein ehemaliges Vereinsvorstandsmitglied grundsätzlich keinen Anspruch auf vollständige Löschung seiner im Vereinsregister eingetragenen Daten hat. Allerdings könne es im Einzelfall unrechtmäßig sein, dass die Daten nach dem Ausscheiden weiterhin uneingeschränkt über das Internet abrufbar sind. Davon sei auszugehen, wenn das Vorstandsmitglied bereits seit längerer Zeit aus dem Amt ausgeschieden ist und der Gegenstand der Vereinstätigkeit zudem nicht nahelegt, dass auch nach diesem Zeitablauf Rechte oder Rechtsbeziehungen in größerem Umfang mit Bezug zu dem Vorstandsmitglied fortbestehen.
Der Bundesgerichtshof verlangte in seinem Urteil einen Ablauf von mindestens zehn Jahren seit dem Ausscheiden aus dem Amt und orientierte sich dabei an der regelmäßigen Verjährungshöchstfrist für Schadensersatzansprüche für Eigentums- und Vermögensschäden sowie den gesetzlichen Aufbewahrungsfristen des Handels- und Gesellschaftsrechts. Er betonte jedoch, dass es stets vom Einzelfall abhänge, wie viel Zeit seit dem Ausscheiden vergangen sein muss.
Statt einer vollständigen Löschung ordnete der Bundesgerichtshof daher an, dass die Daten des ehemaligen Vorstandsmitglieds nur noch bei Darlegung eines berechtigten Interesses im Einzelfall abrufbar sein sollen. Das bedeutet, dass die Daten zwar weiterhin bei dem Vereinsregister gespeichert werden, jedoch nicht mehr uneingeschränkt im Internet verfügbar sind, sondern nur noch auf Anfrage und nach Prüfung eines berechtigten Interesses zugänglich gemacht werden.
Relevanz für Betroffene
Für Personen, die in Vereinsregistern eingetragen sind, bedeutet dieses Urteil, dass ihre Daten mehrere Jahre nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt nicht mehr uneingeschränkt im Internet verfügbar sein müssen. Dies bietet einen gewissen Schutz vor Missbrauch, da die Daten nur noch bei berechtigtem Interesse abgerufen werden können. Betroffene sollten sich jedoch bewusst sein, dass ihre Daten weiterhin im Register gespeichert bleiben und unter bestimmten Bedingungen zugänglich sind.
Für Personen, die Einsicht in Vereinsregister nehmen möchten, ändert sich durch dieses Urteil Folgendes: Möglicherweise müssen sie ein berechtigtes Interesse darlegen, um Zugang zu den Daten ehemaliger Vorstandsmitglieder zu erhalten, die bereits seit längerer Zeit nicht mehr in dem Verein tätig sind. Dies könnte beispielsweise relevant sein, wenn es um die Überprüfung der früheren Tätigkeiten eines Vorstandsmitglieds oder um rechtliche Ansprüche geht. Die Einsichtnahme ist somit in manchen Fällen nicht mehr uneingeschränkt möglich, sondern erfordert eine Begründung und Prüfung des Interesses.
Übertragbarkeit auf andere öffentlich einsehbare Register
Das Urteil des Bundesgerichtshofs könnte auch auf andere öffentlich einsehbare Register übertragbar sein, wie beispielsweise Handelsregister, Genossenschaftsregister oder das Transparenzregister. In diesen Registern werden ebenfalls personenbezogene Daten von Funktionsträgern gespeichert und öffentlich zugänglich gemacht. Die Grundsätze des Urteils, insbesondere die Einschränkung der uneingeschränkten Abrufbarkeit personenbezogener Daten im Internet und die Notwendigkeit eines berechtigten Interesses für den Datenzugriff, könnten analog angewendet werden. Dies würde bedeuten, dass auch in diesen Registern die Daten ehemaliger Funktionsträger bei längerem Zeitablauf nur noch bei Darlegung eines berechtigten Interesses im Einzelfall abrufbar wären, was den Datenschutz und die Privatsphäre der betroffenen Personen weiter stärkt. Gleichzeitig bleibt die Transparenz und Zugänglichkeit der Daten für berechtigte Interessen gewahrt, was für die Rechtssicherheit und den Schutz der Lauterkeit im Rechtsverkehr von großer Bedeutung ist.
Fazit
Das Urteil des BGH verdeutlicht die Notwendigkeit eines ausgewogenen Umgangs mit personenbezogenen Daten in öffentlichen Registern. Während die Transparenz und Verfügbarkeit von Daten im öffentlichen Interesse liegen, müssen auch die Datenschutzrechte der betroffenen Personen gewahrt bleiben. Personen, die in Vereins- und vergleichbaren Registern eingetragen sind, sowie diejenigen, die Einsicht in diese Register nehmen möchten, sollten sich der neuen rechtlichen Rahmenbedingungen bewusst sein.
BGH v 4.6.2024 - II ZB 10/23