Ausschlussfristen gelten nicht für Mindestlohnansprüche

Kernaussage

Arbeitnehmer haben im Krankheitsfall grundsätzlich Anspruch auf Entgeltfortzahlung für bis zu sechs Wochen. Dieser Anspruch kann auch Gegenstand einer tarifvertraglichen Ausschlussfrist sein. Allerdings ist eine solche Ausschlussfrist dann unwirksam, wenn sie auch den für die Dauer einer Erkrankung fortzuzahlenden gesetzlichen Mindestlohn umfasst. Dies hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 20.6.2018 entschieden.

Sachverhalt

Im zur Entscheidung vorliegenden Fall war der Kläger im Zeitraum von 2012 bis Oktober 2015, zu einem Stundenlohn in Höhe von zuletzt 13 € brutto beschäftigt gewesen. Am 17.9.2015 erhielt er durch seinen Arbeitgeber die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit Wirkung zum 31.10.2015. Nach Erhalt der Kündigung meldete sich der Arbeitnehmer krank. Für Oktober 2015 leistete der Arbeitgeber jedoch keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Dagegen wehrte sich der Arbeitnehmer durch Klage vor dem Arbeitsgericht im Januar 2016. Der Arbeitgeber berief sich auf die tarifvertragliche Ausschlussfrist, die eine Frist zur Geltendmachung von Ansprüchen von zwei Monaten vorsah. Folglich sei der Arbeitnehmer mit seiner Klage ohnehin bereits zu spät und der Anspruch verfallen. Der Arbeitnehmer argumentierte hiergegen, dass die Ausschlussklausel unwirksam sei, da diese den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn nicht ausnehme. Die Vorinstanzen gaben der Klage des Arbeitnehmers dann in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns statt. Der über den Mindestlohn hinausgehende Anteil der Forderung sei verfallen.

Entscheidung

Der Arbeitgeber wehrte sich gegen das Urteil vor dem Bundesarbeitsgericht, allerdings erfolglos. Der Arbeitnehmer habe für den Zeitraum der Erkrankung Anspruch auf das Entgelt, das er für den krankheitsbedingten Arbeitsausfall bekommen hätte. Damit einhergehend bleibt dem Arbeitnehmer als unterste Grenze der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn erhalten. Aus Sicht des Bundesarbeitsgerichts hat dies zur Folge, dass Regelungen, die die Geltendmachung des im Krankheitsfall fortzuzahlenden Mindestlohns (zeitlich) einschränken, unwirksam seien. Dabei sei es unerheblich, ob es sich um vertragliche oder tarifvertragliche Ausschlussfristen handelt. Das Bundesarbeitsgericht sprach dem Arbeitnehmer damit eine Entgeltfortzahlung für den Zeitraum seiner Erkrankung in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns zu. Die darüber hinausgehenden Forderungen seien allerdings unter Berufung auf die tarifliche Ausschlussfrist verfallen.

Konsequenz

Das Bundesarbeitsgericht bleibt sich mit dieser Entscheidung treu, wonach grundsätzlich auch unabdingbare Schutzvorschriften für Arbeitnehmer aufgrund von tariflichen Ausschlussfristen verfallen können. Dies gilt auch für Ansprüche, die sich hieraus zugunsten von Arbeitnehmern ergeben – wie hier die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Die Grenze ist laut Bundesarbeitsgericht aber immer der gesetzliche Mindestlohn, dessen Geltendmachung nicht durch Klauseln ausgeschlossen werden kann.

Alexandra Hecht

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht

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