Atypisch stille Beteiligung auch bei Organschaft
Körperschaftsteuerliche Organschaft – Hintergrund und gesetzliche Regelungen
Organschaften sind in Unternehmensgruppen nicht selten anzutreffen. Die gesetzlichen Regelungen hierzu finden sich in §§ 14 ff. Körperschaftsteuergesetz (KStG): Verpflichtet sich danach eine Europäische Gesellschaft, Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien mit Geschäftsleitung und Sitz im Inland (Organgesellschaft), durch einen Gewinnabführungsvertrag im Sinne von § 291 Abs. 1 AktG ihren ganzen Gewinn an ein einziges anderes gewerbliches Unternehmen abzuführen, ist das Einkommen der Organgesellschaft – unter den Voraussetzungen von § 14 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 KStG und soweit sich aus § 16 KStG nichts anderes ergibt – dem Träger des Unternehmens (Organträger) zuzurechnen. Über § 17 Abs. 1 Satz 1 KStG treten die Rechtsfolgen der Organschaft auch dann ein, wenn sich eine andere Kapitalgesellschaft – insbesondere eine GmbH – mit Sitz und Geschäftsleitung im Inland verpflichtet, ihren Gewinn abzuführen.
Atypisch stille Beteiligung und Organschaft – Rechtsproblem und kontroverse Diskussion
Wird an einer Kapitalgesellschaft, wie einer GmbH, eine atypisch stille Beteiligung begründet, entsteht zivilrechtlich eine Innengesellschaft und ertragsteuerlich eine Mitunternehmerschaft mit der GmbH und dem Stillen als Mitunternehmer. Für seine Einlage erhält der Stille in der Regel eine jährliche Gewinnzuweisung, die als Aufwandsposition den Jahresüberschuss der GmbH mindert.
Ob der Obliegenheit zur Abführung des „ganzen Gewinns“ auch dann Genüge getan wird, wenn an der GmbH eine atypisch stille Beteiligung besteht und lediglich der nach Gewinnzuweisung an den Stillen verbleibende Gewinn an den Organträger abgeführt wird, ist zwar bereits seit geraumer Zeit Gegenstand einer kontroversen Diskussion in Literatur und finanzgerichtlicher Rechtsprechung, war aber bislang nicht höchstrichterlich entschieden. Mit Verweis auf ihr Schreiben vom 20.08.2015 vertrat die Finanzverwaltung die Auffassung, dass eine Kapitalgesellschaft, an der eine atypisch stille Beteiligung besteht, nicht Organgesellschaft sein kann, weil nicht der ganze Gewinn abgeführt wird. Die atypisch stille Beteiligung führe vielmehr zu einem parallel und eigenständig existierenden „Teilgewinnabführungsvertrag“. Folgt man dieser Auffassung, sind Gewinnabführungen in solchen Konstellationen stets als verdeckte Gewinnausschüttung zu qualifizieren.
Zivilrechtliche Auslegung des Gewinnabführungsvertrags entscheidend
Mit teilweise inhaltsgleichen Urteilen vom 11.12.2024 hat der Bundesfinanzhof nunmehr entschieden, dass die in § 14 Abs. 1 KStG normierte Gewinnabführung wegen des Verweises auf einen Gewinnabführungsvertrag im Sinne von § 291 Abs. 1 AktG nach zivilrechtlichen Maßstäben zu bestimmen ist und sich der abzuführende Gewinn aus dem handelsrechtlichen Jahresabschluss ergibt. Im handelsrechtlichen Jahresabschluss der Organgesellschaft wird die Gewinnbeteiligung des Stillen gewinnmindernd erfasst. Der nach Aufwandsabzug ausgewiesene Gewinn ist somit der „ganze Gewinn“ im Sinne der Vorschrift. Die atypisch stille Gesellschaft als „vorgelagerte“ Mitunternehmerschaft, aus der die GmbH ihren Gewinnanteil erhält, der der Abführungspflicht an den Organträger unterliegt, ist somit – zumindest für die Anerkennung einer körperschaftsteuerlichen Organschaft – unschädlich.
Gewerbesteuerliche Organschaft: Restriktionen beachten!
Aus gewerbesteuerlicher Sicht sind nach Ansicht des Gerichts aber weiterhin Restriktionen zu beachten: Im Organschaftsfall wird die Organgesellschaft wie eine Betriebsstätte des Organträgers behandelt (§ 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG). Besteht an einer Kapitalgesellschaft eine atypisch stille Beteiligung, ist die dadurch entstehende Mitunternehmerschaft selbst Gewerbesteuersubjekt. Für die Behandlung der Organgesellschaft als Betriebsstätte des Organträgers bleibt somit kein Raum. Für Zwecke der Gewerbesteuer sei demnach die Organschaft zu versagen. Dies soll jedoch wiederum nicht gelten, wenn sich die atypisch stille Beteiligung ausschließlich auf einen – vom Rest der Organgesellschaft – sachlich hinreichend, abgrenzbaren Geschäftsbereich erstreckt. In einem der beiden Urteilsfälle bestand die atypisch stille Beteiligung ausschließlich an einzelnen Niederlassungen der Organgesellschaft. Der Bundesfinanzhof verglich die Situation mit Tracking-Stock-Strukturen.
Atypisch stille Beteiligung auch an Organträgerin möglich?
Im Urteilsfall, in dem lediglich an einzelnen Niederlassungen der Organgesellschaft atypisch stille Beteiligungen bestanden, existierten zusätzlich atypisch stille Beteiligungen an Niederlassungen der Organträgerin. Es stellte sich die Frage, welche steuerlichen Konsequenzen sich hieraus ergeben: Nach Ansicht der Richter:innen ist Organträgerin nicht die durch die atypisch stille Beteiligung entstehende Mitunternehmerschaft. Vielmehr sei es in Betracht zu ziehen, dass der Organträgerin als Kapitalgesellschaft und Inhaberin des Handelsgewerbes ein Geschäftsbereich „zuzuordnen sei“, an dem weder zivil- noch steuerrechtlich andere Personen beteiligt sind. Zu diesem „freien Unternehmensbereich“ sei die Beteiligung an der Organgesellschaft zuzuordnen.
Praxishinweise und Ausblick
Die Urteile sind zu begrüßen, da sie Klarheit und Rechtssicherheit für etwaige Gestaltungen liefern, bei denen atypisch stille Beteiligungen mit den Rechtsfolgen der Organschaft kombiniert werden sollen. Dies gilt zumindest für Zwecke der Körperschaftsteuer. Für gewerbesteuerliche Zwecke gelten die Rechtsfolgen der Organschaft hingegen nur restriktiv, wenn sich z.B. die atypisch stille Beteiligung auf einen sachlich oder räumlich abtrennbaren Geschäftsbereich beschränkt. Unter diesen Voraussetzungen kann sogar an einer Organträgerin eine atypisch stille Beteiligung begründet werden. Dem „freien Unternehmensbereich“ seien jedenfalls die Beteiligungen zuzuordnen. Etwaige, sich daraus ergebende ertragsteuerliche Zurechnungsprobleme und verfahrensrechtliche Thematiken lässt das Gericht jedoch unbeantwortet.
Bundesfinanzhof, Urteile vom 11.12.2024 – I R 17/21 und I R 33/22