Arbeitgeber: Zielvorgaben rechtzeitig festlegen, sonst drohen Schadensersatzansprüche

Unterlassene Zielvorgabe: Arbeitnehmer klagt auf Schadensersatz

Ein Arbeitnehmer mit Führungsverantwortung hatte in seinem Arbeitsvertrag eine an Unternehmens- und individuelle Ziele gekoppelte variable Vergütung vereinbart. Eine Betriebsvereinbarung regelte zudem, dass die Ziele bis zum 1. März des jeweiligen Jahres festgelegt werden müssen. 

Der Arbeitgeber hatte dem Mitarbeiter keine Ziele für das Jahr 2019 vorgegeben. Erst im Oktober 2019 wurden die Unternehmensziele und konkrete Zahlen bekannt gegeben; individuelle Ziele für den betroffenen Mitarbeiter wurden nach wie vor nicht festgelegt. Tatsächlich zahlte der Arbeitgeber am Ende auch nur eine variable Vergütung im Hinblick auf die Unternehmensziele aus; eine auf persönliche Ziele bezogene Zahlung blieb aus.

Vor dem Arbeitsgericht erhob der Arbeitnehmer Klage mit der Begründung, dass ihm sein Arbeitgeber zum Schadensersatz verpflichtet sei, da ihm die individuellen und die Unternehmensziele nicht rechtzeitig vorgegeben wurden. Daher habe er keine Gelegenheit gehabt, auf die Ziele zu reagieren und diese zu erreichen. Hätte der Arbeitgeber ihm die Ziele rechtzeitig mitgeteilt, hätte er diese erreichen können. 

Dem hielt der Arbeitgeber entgegen, dass die Zielvorgabe rechtzeitig erfolgt und angemessen sei. Der Kläger könne lediglich eine Leistungsbestimmung verlangen. 

Nachdem der Arbeitgeber in Erstinstanz noch obsiegt hatte, hob das Landesarbeitsgericht das Urteil in zweiter Instanz auf und verurteilte den Arbeitgeber zur Zahlung von Schadensersatz. Die Revision des Arbeitgebers vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte keinen Erfolg. 

Begründung des BAG

Das BAG entschied zugunsten des Arbeitnehmers. Es ist der Auffassung, dass der Arbeitgeber seine Verpflichtung aus der Betriebsvereinbarung, die entsprechenden Zielvorgaben vorzugeben, schuldhaft verletzt hat. Die verspätete Bekanntgabe der Ziele habe deren Motivations- und Anreizfunktion zunichtegemacht, eine nachträgliche Festlegung im Oktober sei daher wirkungslos. Folglich habe der Arbeitnehmer einen Schadensersatzanspruch in Höhe der entgangenen variablen Vergütung.

Ein Mitverschulden des Arbeitnehmers mangels Mitwirkung verneinte das BAG mit der Begründung, dass der Arbeitgeber allein die Initiativlast für die Vorgabe der Ziele trage. 

Verantwortung des Arbeitgebers bei Zielvorgaben: Wichtige Urteilsfolgen

Für Unternehmen bedeutet dieses Urteil, dass sie interne Prozesse so gestalten müssen, dass Zielvorgaben für variable Vergütungen fristgerecht und klar kommuniziert werden, da sie sich ansonsten schadensersatzpflichtig machen, auch wenn die Ziele verfehlt wurden. Interne Abläufe im Unternehmen müssen zeitlich so abgestimmt werden, dass die Zielvorgaben rechtzeitig innerhalb des Bonusjahres mitgeteilt werden können. 

Besondere Vorsicht ist dann geboten, wenn durch (Betriebs-)Vereinbarungen ein Zeitpunkt für die Mitteilung der Zielvorgabe festgelegt ist. 

Das BAG sieht die Initiativlast in diesem Fall allein beim Arbeitgeber. Es bleibt offen, ob ein anspruchsminderndes Mitverschulden des Arbeitnehmers wegen fehlender Mitwirkung in Betracht kommt oder generell ausgeschlossen ist, da die schriftlichen Urteilsgründe des BAG noch nicht vorliegen und bislang lediglich die Pressemitteilung verfügbar ist. Ein Mitverschulden des Arbeitnehmers nahm das BAG bisher dann an (BAG, Urteil vom 12.12.2007 – 10 AZR 97/07), wenn der Arbeitnehmer es unterlässt, den Arbeitgeber auf die Zielvereinbarung anzusprechen. Für eine vollständige Verantwortlichkeit des Arbeitgebers genügt es jedoch bereits, wenn der Arbeitnehmer den Arbeitgeber auffordert, die Verhandlungen zu beginnen – der Arbeitnehmer muss keine konkreten Ziele vorschlagen.


Pressemitteilung BAG vom 19.2.2025 zum Urteil vom 19.2.2025 – 10 AZR 57/24 

Alexandra Hecht

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht

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