Reichweitenabschläge im Vorratsvermögen als Steuerrisiko
Ein Erfahrungsbericht aus einer Betriebsprüfung im Mittelstand
Bewertungsabschläge, die die Wertminderung der Artikel aus ihrer errechneten Lagerreichweite ableiten, machen oft 10 bis 20 % des Bilanzwerts der Vorräte aus. Die Mehrergebnisse bei einer Auflösung bedeuten daher massive Steuerbelastungen. Aus Betriebsprüfungen großer (Produktions-)Unternehmen wird seit einigen Jahren über vermehrte Diskussionen der steuerlichen Anerkennung der Reichweitenverfahren zur Vorratsbewertung berichtet. Eigene aktuelle Erfahrungen zeigen, dass das Thema auch im Mittelstand in den Fokus der Betriebsprüfer rückt.
Die Argumentationskette der Betriebsprüfer hat ein einheitliches Muster: Das Handels- und Steuerbilanzrecht kennt für die Folgebewertung im Vorratsvermögen keine besonderen Bewertungsvereinfachungsverfahren. Im Ausgangspunkt gilt der Grundsatz der Einzelbewertung und die Teilwertvermutung zugunsten der Bewertung zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten, solange eine dauernde Wertminderung nicht durch den Steuerpflichtigen nachgewiesen ist. In Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu Handelsunternehmen wird für die steuerliche Anerkennung gefordert, die in der Reichweitenstaffel abgebildete Wertminderung näher zu belegen. Die Zunahme der Verwertungsrisiken mit der Lagerdauer aufgrund von Überalterung, Lagerschäden, technischer oder geschmacksbedingter Überholung, Lagerkosten, Kapitalbindung u.a. soll begründet werden. Der Anspruch gipfelt in der Aufforderung, die Verwertungsrisiken im Einzelnen nachzuweisen und die Höhe der Reichweitenabschläge mathematisch-statistisch zu unterlegen.
Wie kann eine erfolgreiche Abwehr ansetzen? Zur Ermittlung sowohl der Lagerreichweiten als auch der Abschlagsätze sind aussagefähige Daten der Materialwirtschaft die Grundvoraussetzung. Im Hinblick auf die Reichweitenermittlung, die beim Einsatz von ERP-Systemen systemgestützt möglich ist, gilt es, Fehler und damit verbundene Angriffspunkte für die Verwertbarkeit zu vermeiden. Die saubere Definition und Verwendung der Bewegungsarten der Materialwirtschaft als Basis der zutreffenden Ableitung der Lagerreichweiten aus Verbräuchen ist auf der Grundlage einer entsprechenden Verfahrensdokumentation zur Materialwirtschaft abzusichern. Danach ist Compliance – verstanden als regelkonformes Verhalten – zu wahren. Dann können auch Arbeitsfehler in Einzelfällen nicht die Ermittlung insgesamt in Frage stellen.
Die Unterlegung der Abschlagsätze kann über Beschreibungender erfassten Entwertungsrisiken, niedergelegte Verschrottungsverfahren, differenzierte Auswertungen zu tatsächlichen Verschrottungen sowie zu artikelbezogenen Lagerkosten und gegebenenfalls zur Preis- und Margenentwicklung in Abhängigkeit von der Lagerdauer erfolgen. In der Rückschau vom Prüfungszeitpunkt aus helfen Nachweise der Bewegungen der einzelnen abgewerteten Artikel zwischen geprüftem Bewertungsstichtag und Prüfungszeitpunkt. Eine saubere Abgrenzung echter Nichtdreher, also tatsächlich nicht verwerteter Artikel, kann dazu beitragen, noch nicht erfolgte Verschrottungen zu substituieren und die wirtschaftliche Entwertung nachzuweisen. Grundvoraussetzung ist auch hier, dass Materialwirtschaft und -buchhaltung im Hinblick auf Tax Compliance und GoBD-Konformität keine Angriffsflächen bieten.
Gerne analysieren wir die Daten und Verfahren Ihrer Materialwirtschaft und Materialbuchhaltung auf steuerliche Risiken und unterstützen Sie sowohl bei der Verfahrensdokumentation und der Verankerung der Anforderungen der GoBD in Ihren Systemen als auch in der Überwachung der Compliance bei der Umsetzung in der täglichen Praxis. Gleiches gilt auch für die Abwehrberatung in der steuerlichen Außenprüfung.