Grünes Licht für Unternehmenssanktionen – Gesetz zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft kommt

 

Neuer Gesetzentwurf

Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz hat den lange erwarteten Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft veröffentlicht, dessen Kernstück das Gesetz zur Sanktionierung von verbandsbezogenen Straftaten (Verbandssanktionengesetz) ist. 

Das Gesetz regelt die Sanktionierung von Verbänden, also juristischen Personen des Privatrechts (d.h. eingetragenen Vereinen (e.V.), Stiftungen, Aktiengesellschaften (AG), Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH), Kommanditgesellschaften auf Aktien (KGaA) und eingetragenen Genossenschaften (e.G.)), juristischen Personen des öffentlichen Rechts (d.h. Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts) sowie nicht rechtsfähigen Vereinen und rechtsfähigen Personengesellschaften (d.h. Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR), offenen Handelsgesellschaften (OHG) und Kommanditgesellschaften (KG)). 

Nun ist es für die vorgenannten Unternehmen (Verbände) an der Zeit, die internen Abläufe zu überprüfen und erforderlichenfalls weitere Compliance-Maßnahmen zu treffen. Wir erläutern Ihnen die Details des Gesetzentwurfs.

Hintergrund und Zielsetzung

Straftaten, die aus Verbänden (juristische Personen und Personenvereinigungen) heraus begangen werden, können nach bisher geltendem Recht gegenüber dem Verband lediglich mit Geldbußen von bis zu 10 Mio. € nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) geahndet werden. Dadurch ist eine angemessene und an die Größe des Verbandes angepasste Reaktion auf Unternehmenskriminalität nicht möglich, was insbesondere kleinere und mittelständische Unternehmen gegenüber finanzkräftigen multinationalen Konzernen benachteiligt. Zudem legt das geltende Recht die Verfolgung auch schwerster Unternehmenskriminalität in das Ermessen der zuständigen Behörden, was zu einer uneinheitlichen und unzureichenden Ahndung geführt hat.

Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz hat am 21.4.2020 den lange erwarteten Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft veröffentlicht, dessen Kernstück das Gesetz zur Sanktionierung von verbandsbezogenen Straftaten (Verbandssanktionengesetz – VerSanG) ist. Es handelt sich um die mittlerweile abgestimmte Fassung des bereits im Sommer 2019 vorgestellten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität. 

Inhaltsüberblick

Der aktualisierte Gesetzentwurf beinhaltet einige Änderungen, hat indes kaum an Schärfe verloren. Er führt das Legalitätsprinzip ein, erweitert die Sanktionsinstrumentarien und orientiert dabei die Höhe der Geldsanktion am Umsatz des Unternehmens. Zudem werden Anreize für Compliance und interne Untersuchungen geschaffen und es wird die Durchführung von Sanktionsverfahren geregelt.

Anwendungsbereich

Das Verbandssanktionengesetz regelt die Sanktionierung von Verbänden, das heißt von juristischen Personen des privaten und des öffentlichen Rechts, nicht rechtsfähigen Vereinen und rechtsfähigen Personengesellschaften. Die aktuelle Fassung erfasst nur Verbände, deren Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist. Für andere (insbesondere gemeinnützige) Verbände soll es bei der bisherigen Regelung im Ordnungswidrigkeitenrecht bleiben. 

Legalitätsprinzip

Die Sanktionierung und Verfolgung von Verbänden, die dem Anwendungsbereich unterfallen, sollen dem sogenannten Legalitätsprinzip unterworfen werden, das heißt, die Verfolgungsbehörden sind bei Vorliegen eines Anfangsverdachts verpflichtet, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten. Von der Verfolgung kann u.a. abgesehen werden wegen Geringfügigkeit, unter Auflagen und Weisungen sowie bei Sanktionierung im Ausland.

Sanktionen und ihre Voraussetzungen

Die Tatbestände der Verbandsverantwortlichkeit bilden das Kernstück des Entwurfs: Eine Verbandssanktion ist zu verhängen, wenn entweder eine Leitungsperson eine Verbandstat begangen hat oder eine Nichtleitungsperson in Wahrnehmung der Aufgaben des Verbands eine Verbandstat begangen hat und eine Leitungsperson diese Straftat durch entsprechende Vorkehrungen hätte verhindern oder wesentlich erschweren können. Eine Verbandstat ist eine Straftat, durch die Verbandspflichten verletzt worden sind oder durch die der Verband bereichert wird. Eine Nichtleitungsperson kann auch ein direktions- und weisungsgebundener Betriebsfremder sein.

Verbandstaten der Leitungspersonen werden dem Verband ohne weitere Voraussetzungen zugerechnet; bei Verbandstaten von Nichtleitungspersonen muss zusätzlich ein objektiver Verstoß gegen Organisationspflichten vorliegen, der von der Leitungsperson nicht zwingend verschuldet sein muss.

Der aktuelle Gesetzentwurf sieht zwei Arten von Verbandssanktionen vor: die Verbandsgeldsanktion und die Verwarnung mit dem Vorbehalt der Verbandsgeldsanktion. Im Vergleich zur früheren Fassung wurde die Verbandsauflösung gestrichen.

Die Verbandsgeldsanktion beträgt bis zu 10 Mio. € bei einer vorsätzlich begangenen Verbandstat und bis zu 5 Mio. € bei einer fahrlässig begangenen Verbandstat. Bei Unternehmen mit einem durchschnittlichen Jahresumsatz von mehr als 100 Mio. € soll das Höchstmaß der Verbandsgeldsanktion bei Vorsatz bis zu 10 % bzw. bei Fahrlässigkeit bis zu 5 % des weltweiten durchschnittlichen Jahresumsatzes des gesamten Konzerns betragen.

Die Verwarnung mit dem Vorbehalt der Verbandsgeldsanktion kann mit Auflagen versehen werden und das Gericht kann dem Verband Weisungen erteilen, um weiteren Verbandstaten entgegenzuwirken (z.B. Implementierung von Compliance-Maßnahmen und deren Nachweis durch eine sachkundige Stelle – Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte sowie Unternehmensberatungen).

Öffentliche Bekanntmachung

Als Nebenfolge einer Sanktion kann das Gericht bei einer großen Zahl von Geschädigten die öffentliche Bekanntmachung der Verurteilung anordnen.

Förderung von Compliance-Maßnahmen

Der Gesetzentwurf sieht zudem Bestimmungen für die Berücksichtigung von Vorkehrungen zur Vermeidung und Aufdeckung von Verbandstaten (Compliance-Maßnahmen) der Unternehmen vor. 
Compliance-Bemühungen spielen zukünftig bereits bei der Frage eine Rolle, ob die Voraussetzungen einer Sanktionierung überhaupt gegeben sind. Ferner ist das Vorliegen eines geeigneten Compliance-Management-Systems maßgeblich für Art und Höhe einer Sanktion und dafür, ob von der Verfolgung der Verbandstat (z.B. bei Erteilung einer Weisung) abgesehen werden kann. 

Verbandsinterne Untersuchungen

Das Verbandssanktionengesetz schafft klare gesetzliche Anreize für interne Untersuchungen (das heißt „Maßnahmen, die der systematischen Aufklärung des Verdachts einer Ordnungswidrigkeit oder Straftat dienen“) und regelt, unter welchen Voraussetzungen diese sanktionsmildernd berücksichtigt werden sollen. 

Bei Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen, das heißt, wenn die interne Untersuchung wesentlich zur Tataufklärung beiträgt und der Verband uneingeschränkt mit den Verfolgungsbehörden zusammenarbeitet, halbiert sich der Sanktionsrahmen und die öffentliche Bekanntmachung ist ausgeschlossen. 

Im Vergleich zum ursprünglichen Gesetzesvorschlag gleich geblieben ist die funktionale Trennung zwischen der Verteidigung und der Durchführung der verbandsinternen Untersuchung. Allerdings darf mit der verbandsinternen Untersuchung eine Kanzlei beauftragt werden, der auch der Verteidiger des Verbandes oder des Beschuldigten angehört. Dieser darf dann allerdings nicht an der verbandsinternen Untersuchung mitgewirkt haben, weil sonst eine Sanktionsmilderung über die verbandsinterne Untersuchung nicht in Betracht kommt. 

Beschlagnahmeverbot

Das strafprozessual geregelte Beschlagnahmeverbot soll künftig auf solche Gegenstände eingeschränkt werden, die dem Vertrauensverhältnis des im konkreten Verfahren Beschuldigten zum betreffenden Berufsgeheimnisträger zuzuordnen sind. Das bedeutet, dass Aufzeichnungen aus einer Sachverhaltsaufklärung, die vor einer Beschuldigtenstellung, das heißt vor Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, stattfindet, nicht vom Beschlagnahmeverbot erfasst sind. Erst sobald ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden ist und der Verband die Stellung eines Beschuldigten hat, ist die Kommunikation mit dem Verteidiger nicht mehr beschlagnahmefähig.

Verbandssanktionenregister

Es wird ein neues Verbandssanktionenregister geschaffen, in das (ähnlich dem Bundeszentralregister) die gegen einen Verband ergangenen rechtskräftigen, gerichtlichen Entscheidungen über die Verhängung von Verbandssanktionen sowie rechtskräftige Entscheidungen über die Verbandsgeldbuße nach § 30 OWiG eingetragen werden sollen, wenn die festgesetzte Geldbuße 300 € überschreitet. Das Register ist nicht für jedermann öffentlich einsehbar. 

Gesetzgebungsstand/Zeitplan

Für Unternehmen wird es nun ernst. Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz hat den Verbänden Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 12.6.2020 eingeräumt. Dass das Verbandssanktionengesetz verabschiedet und damit das Unternehmenssanktionsrecht grundlegend reformiert wird, ist damit nur noch eine Frage der Zeit. Allerdings soll das Gesetz nicht sofort in Kraft treten, sondern erst zwei Jahre nach seiner Verkündung. Das soll Verbänden ausreichend Zeit geben, die internen Abläufe zu überprüfen und erforderlichenfalls weitere Compliance-Maßnahmen zu treffen.

Gerne unterstützt Sie die dhpg bei der Implementierung Ihres Compliance-Management-Systems und bei der Schulung über mögliche Sanktionen sowie deren Abwehr. Sprechen Sie uns an.

Dr. Andreas Rohde

Rechtsanwalt, Steuerberater, Fachanwalt für Steuerrecht

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