Das Geschäftsgeheimnisgesetz – wie Sie schützen, was Ihr Unternehmen ausmacht
Interview: Dr. Christian Lenz und Dr. Olaf Lüke
Worum geht es in dem neuen Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen?
Dr. Christian Lenz: Vor dem Hintergrund zunehmender Digitalisierung und grenzüberschreitender Sachverhalte innerhalb der Europäischen Union soll das Gesetz einen einheitlichen Schutz für Geschäftsgeheimnisse bieten und auf diese Weise für eine größere Rechtssicherheit sorgen. Zeitgleich werden Unternehmen auch stärker vor Wirtschaftsspionage geschützt. Derartige Fälle von Whistleblowing sind in den vergangenen Jahren vermehrt durch die Medien gegangen – Stichwort Edward Snowden. Das Problem betrifft aber nicht nur Konzerne, sondern durchaus auch mittelständische Unternehmen. Auch für sie besteht nun Handlungsbedarf. Auf der anderen Seite schafft das Gesetz ausdrückliche Regelungen für den Schutz von Whistleblowern und damit auch für den investigativen Journalismus im Bereich von Geschäftsgeheimnissen.
Was gilt überhaupt als Geschäftsgeheimnis?
Dr. Olaf Lüke: Wenn Sie sich fragen, was Ihr Unternehmen ausmacht, werden Ihre Antworten sicher in etwa lauten: Know-how, Rezepturen, Strategien, Kundendaten, Kalkulationen. Genau das sind Ihre Geschäftsgeheimnisse. Das Gesetz definiert dies natürlich etwas genauer. Ein Geschäftsgeheimnis ist eine Information, die nur einem begrenzten Personenkreis bekannt ist, deren Inhalte geheim und entsprechend von wirtschaftlichem Wert sind und an deren Geheimhaltung ein berechtigtes Interesse besteht. Aber die reine Tatsache, dass es sich bei einem Geschäftsgeheimnis um eine geheime Information handelt, ist von nun an nicht mehr allein für ihren Schutz ausschlaggebend. Vielmehr muss das Unternehmen angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen ergreifen, um seinen Geheimhaltungswillen zu dokumentieren. Ohne angemessene Schutzmaßnahmen liegt nach dem Gesetz kein schützenswertes Geschäftsgeheimnis vor.
Und was sind angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen?
Dr. Christian Lenz: Zunächst sollten Sie alle Informationen systematisch erfassen, die aus Ihrer Sicht als geheim einzustufen sind, sprich Ihre „Kronjuwelen“. Anschließend kann klassifiziert werden, welche Informationen besonders schutzbedürftig sind und welche weniger. Darauf basierend können dann risikoorientiert Schutzmaßnahmen definiert und ergriffen werden. Häufig stellen wir fest, dass auch schon diverse Schutzmaßnahmen existieren, gegebenenfalls wurden diese auch schon beim Aufbau einer Datenschutzorganisation entsprechend der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) dokumentiert. In diesen Fällen sind dann regelmäßig nur noch kleinere Nacharbeiten erforderlich. In der Praxis geht es dann beispielsweise um ein passendes Berechtigungskonzept u.a. über die gesamten IT-Anwendungen hinweg oder um passende Vertraulichkeitsverpflichtungen. Letztendlich bedeuten angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen, dass auch in Abständen kontrolliert wird, ob die ergriffenen und dokumentierten Maßnahmen passen. Hierdurch wird die Eintrittswahrscheinlichkeit von Vorfällen verringert und auch der Geheimhaltungswille dokumentiert.
Was passiert, wenn ich keine derartigen Maßnahmen treffe?
Dr. Olaf Lüke: Haben Sie keine Maßnahmen zum Geheimnisschutz getroffen, laufen Sie Gefahr, dass Ihre Geschäftsgeheimnisse nicht von dem neu geschaffenen Schutz von Geschäftsgeheimnissen durch das GeschGehG umfasst werden. Denn in diesem Fall handelt es sich definitionsgemäß nicht um Geschäftsgeheimnisse im Sinne des § 2 Nr. 1 GeschGehG.. Leider kann man schneller in eine solche Situation geraten, als man denkt. Stellen Sie sich beispielsweise vor, Ihr Verkaufsleiter verlässt das Unternehmen und wechselt zur Konkurrenz. Er kennt Ihre Kunden und Lieferanten und die mit ihnen vereinbarten Konditionen und trägt dieses Wissen in das neue Unternehmen. Schon sind Ihre Geschäftsgeheimnisse offenbart.
Welche Ansprüche habe ich vor Gericht, wenn meine Geschäftsgeheimnisse offenbart wurden?
Dr. Christian Lenz: Die Rechte Betroffener sind vielfältig. Zunächst haben Sie Anspruch auf Beseitigung und Unterlassung sowie auf vollumfängliche Vernichtung und Herausgabe des Geschäftsgeheimnisses. Darüber hinaus müssen alle rechtsverletzenden Produkte zurückgerufen, entfernt und vernichtet bzw. zurückgenommen werden. Zudem steht Ihnen Schadensersatz zu – auch für immaterielle Schäden wie beispielsweise Imageverlust. Und schließlich wird die Offenbarung von Geschäftsgeheimnissen auch strafrechtlich verfolgt und mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren geahndet.
Und wie sieht es mit der Verletzung von Geschäftsgeheimnissen durch Dritte aus?
Dr. Christian Lenz: Das Gesetz geht mit der Verletzung von Geschäftsgeheimnissen durch Dritte härter um. Ein Beispiel: Bringt ein neuer Mitarbeiter Adresslisten eines früheren Arbeitgebers mit und setzt diese ein, so haftet nicht nur der neue Mitarbeiter, sondern auch der neue Arbeitgeber schon bei fahrlässiger Unkenntnis. Das heißt für die Zukunft, dass Unternehmer stets dafür Sorge tragen müssen, dass Informationen nicht durch sogenannte unbefugte Erlangung beschafft werden. Hierzu zählen neben der unbefugten Erlangung durch andere Personen auch der unbefugte Zugang, die unbefugte Aneignung oder das unbefugte Kopieren von Dokumenten, Gegenständen, Materialien, Stoffen oder elektronischen Dateien, die Geschäftsgeheimnisse enthalten oder aus denen sich diese ableiten lassen.
Gibt es auch Ausnahmen von diesen Regelungen?
Dr. Olaf Lüke: Ja, die gibt es, wie eingangs kurz erwähnt. So ist beispielsweise die Ausübung der Meinungsfreiheit vom Gesetz unberührt. Diese schützt gerade investigativ tätige Journalisten. Zudem besteht immer noch die Möglichkeit der Abwägung im Einzelfall. Auch das Whistleblowing zur Aufdeckung von Straftaten oder Fehlverhalten eines Unternehmens ist vom Anwendungsbereich des Gesetzes ausgeschlossen – im Gegenteil das Gesetz bietet Whistleblowern mehr Schutz, sofern die Offenlegung des Geschäftsgeheimnisses altruistischer Natur ist und nicht dem persönlichen Vorteil des Whistleblowers dient. Zudem ist die Offenlegung durch Arbeitnehmer gegenüber der Arbeitnehmervertretung gestattet, wenn dies erforderlich ist, damit die Arbeitnehmervertretung ihre Aufgaben erfüllen kann.