EuGH äußert sich zur Umsatzsteuerbarkeit von Zuschüssen für den ÖPNV

 

Ein aktuelles Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) konkretisiert die umsatzsteuerliche Behandlung von im Nachhinein gewährten pauschalen Verlustausgleichszahlungen einer Gebietskörperschaft an Betreiber des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Der EuGH stellt klar, dass solche Zahlungen dann als echte, nicht umsatzsteuerbare Zuschüsse zu qualifizieren sind, wenn sie der allgemeinen Sicherstellung des Verkehrsangebots dienen und nicht als Gegenleistung für bestimmte, individuell bestellte Leistungen gezahlt werden.

Die zentrale Frage war, ob pauschale Ausgleichszahlungen als Gegenleistungen für Leistungen eines ÖPNV-Betreibers zu qualifizieren sind und damit der Umsatzsteuer unterliegen.

Sachverhalt: Pauschale Ausgleichszahlungen im Fokus

Der Sachverhalt betraf ein polnisches Verkehrsunternehmen (P), das ÖPNV-Leistungen zu von der Gebietskörperschaft festgelegten, nicht kostendeckenden Preisen an Dritte erbrachte. Zur Deckung der daraus resultierenden Verluste erhielt P pauschale Ausgleichszahlungen. Die polnische Finanzverwaltung sah diese Zahlungen als umsatzsteuerpflichtiges Entgelt von dritter Seite an. Das Unternehmen klagte und der Fall wurde dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Kernaussagven des EUGH-Urteils

Der EuGH entschied, dass die pauschalen Ausgleichszahlungen nicht als Entgelt von dritter Seite zu qualifizieren sind und nicht in die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage einzubeziehen sind. Konkret äußerte sich das Gericht folgendermaßen:

  • Ein Leistungsaustausch im Sinne des Umsatzsteuergesetzes liegt nur vor, wenn die Zahlung als unmittelbare Gegenleistung für eine bestimmte Leistung erfolgt. Pauschale Verlustausgleichszahlungen, die nachträglich und ohne Bezug zu konkreten Einzelleistungen oder Nutzergruppen gezahlt werden, sind nicht als Entgelt zu werten.
  • Die Zahlungen müssen dazu bestimmt sein, allgemein eine ausreichende Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen im ÖPNV zu gewährleisten. Sie dürfen nicht auf spezielle Interessen des Zuschussgebers oder einzelner Nutzergruppen (z B. Schüler, bestimmte Pendler) ausgerichtet sein.
  • Die Höhe und die nachträgliche Gewährung der Zahlung (z. B. auf Basis eines Preis-Kosten-Vergleichs zur Deckung nicht durch Fahrgeldeinnahmen gedeckter Kosten) sind für die steuerliche Einordnung unerheblich. Entscheidend sind allein der Förderzweck und die fehlende Verknüpfung mit konkreten Einzelleistungen.
  • Der EuGH grenzt ausdrücklich ab: Werden Zahlungen gezielt für bestimmte Leistungen oder Fahrgastgruppen gewährt (z. B. Schülerbeförderung, bei der die Allgemeinheit ausgeschlossen ist), handelt es sich um ein umsatzsteuerpflichtiges Entgelt von dritter Seite.

Praxisrelevante Konsequenzen und Beispiele

Das Urteil lässt Schlussfolgerungen für verschiedene praxisrelevante Fälle auch in Deutschland zu. Zusammenfassend bedeutet das zum Beispiel:

  • Ein Landkreis zahlt dem Verkehrsunternehmen nach Ablauf des Jahres einen pauschalen Betrag, um die durch die Fahrgeldeinnahmen nicht gedeckten Kosten des Linienverkehrs auszugleichen. Diese Zahlung ist nach dem EuGH-Urteil nicht umsatzsteuerbar.
  • Zahlt die Gebietskörperschaft hingegen einen Zuschuss, der direkt an die Anzahl der beförderten Schüler gekoppelt ist, handelt es sich um ein umsatzsteuerpflichtiges Entgelt von dritter Seite.

Bedeutung für die Praxis und Gestaltungsempfehlungen

Die Entscheidung des EuGH bringt erhebliche Rechtssicherheit für die Praxis und ist daher sehr zu begrüßen:

  • Echte Zuschüsse: Pauschale Verlustausgleichszahlungen sind als echte, nicht steuerbare Zuschüsse zu qualifizieren und beeinflussen nicht den Umfang des Vorsteuerabzugs.
  • Gestaltungsempfehlung: Eine möglichst pauschale und nicht leistungs-bezogene Ausgestaltung von Zu- schussvereinbarungen ist umsatzsteuerlich vorteilhaft. Je weniger Bezug zu konkreten Leistungen oder Kosten besteht, desto eher liegt ein echter Zuschuss vor.
  • Bestätigung durch nationale Rechtsprechung: Die Entscheidung steht im Einklang mit der jüngsten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, der ebenfalls eine steuerliche Unbeachtlichkeit von Landeszuschüssen aus strukturpolitischen Gründen bejaht hat. Bereits dieses Urteil war ein Meilenstein, da keine Umsatzsteuerrelevanz gegeben war und gleichzeitig der – teilweise nicht unerhebliche – Vorsteuerabzug nicht gekürzt wurde.

Oliver Stoffers

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