Dauerbrenner „Enge technisch-wirtschaftliche Verflechtung zwischen Bad und Versorger mittels BHKW“

 

Verluste eines Betriebs gewerblicher Art (BgA) können mit Gewinnen eines anderen BgA mit steuermindernder Wirkung verrechnet werden, wenn zwischen den beiden BgA eine enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung von einigem Gewicht besteht. Ein solches Konstrukt wird als steuerlicher Querverbund bezeichnet. Wichtiges Anwendungsgebiet dieser Regelung ist der Querverbund zwischen einem BgA Bäder und einem Versorgungs-BgA mittels eines Blockheizkraftwerks (BHKW). Im Jahr 2021 musste das Finanzgericht (FG) Schleswig-Holstein zu diesem Thema entscheiden, ob die Verluste aus dem Betrieb eines Freibads (BgA Freibad) durch eine Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR) einer Gemeinde im Rahmen der Gewinnermittlung für den BgA Versorgung Berücksichtigung finden können. Der AöR der Gemeinde waren die Wasserversorgung, das Freibad, der Bauhof und die Abwasserentsorgung übertragen. 

Dabei stand infrage, ob

  • das BHKW dem BgA Freibad zuzuordnen ist 

        Oder

  • als eigenständiger BgA zu werten ist und dieser mit dem BgA Freibad aufgrund enger wechselseitiger technisch-wirtschaftlicher Verflechtung verbunden werden kann.

Zum Hintergrund

In den Streitjahren erfolgte in der Freibadsaison eine Wärmelieferung überwiegend an das Freibad und in den Wintermonaten vorwiegend als Fernwärme an Drittkunden aus einem Bebauungsplangebiet. In ihren Körperschaft- und Gewerbesteuererklärungen verrechnete die AöR die aus dem Betrieb des Freibads entstandenen Verluste im Rahmen eines BgA Versorgung mit den Einkünften der Wasserversorgung und der Strom- und Wärmeerzeugung aus dem Betrieb des BHKW.

Das FG hat hierzu im Ergebnis entschieden, dass in diesem Fall durch den Betrieb des BHKW ein eigenständiger (Versorgungs-)BgA vorliegt, dem das BHKW als notwendiges Betriebsvermögen zuzuordnen ist. Für eine Zusammenfassung eines BgA mit einem anderen zusammengefassten BgA reiche es aus, wenn die Zusammenfassungsvoraussetzungen nur zwischen diesem BgA und einem der BgA des zusammengefassten BgA vorliegen (sogenannte Mitschlepptheorie). Bei einer Zusammenfassung wegen enger technisch-wirtschaftlicher Verflechtung müsse die Voraussetzung „von einigem Gewicht“ im Verhältnis zum zusammengefassten BgA vorliegen.

Zwischen einem zusammengefassten Versorgungs-BgA „Betrieb eines BHKW/Wasserversorgung“ und einem BgA Freibad könne eine enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung von einigem Gewicht vorliegen, wenn das auf dem Gelände des Freibads liegende und mit einer Leitung direkt mit dem Wasserbecken verbundene BHKW hinsichtlich seiner Wärmeerzeugungskapazität auf die Bedürfnisse des Freibads ausgerichtet werde und das BHKW in der Saisonzeit den Wärmebedarf des Freibads zu 100 % abdecke. Durch die kontinuierlich gewährleistete Wärmeabnahme vom Freibad könne das BHKW in den Sommermonaten wirtschaftlicher betrieben werden. Dem stehe nicht entgegen, dass es sich beim BgA BHKW nicht um ein Elektrizitätsversorgungsunternehmen handele, das überwiegend Letztverbraucher versorge. Nach der Entscheidung des FG konnte im Streitfall eine Zusammenfassung von BgA Freibad und einem zusammengefassten Versorgungs-BgA erfolgen. Durch die Errichtung der beiden BHKW und deren Betrieb hat die AöR einen eigenständigen Versorgungs-BgA BHKW begründet, der als Versorgungs-BgA mit der Wasserversorgung zusammengeführt werden konnte, da es sich jeweils um Versorgungsbetriebe handelt. 

Dieser zusammengefasste BgA konnte wiederum in Hinblick auf eine enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung von einigem Gewicht mit dem BgA Freibad zu einem steuerlichen Querverbund zusammengefasst werden. Insoweit bestätigt das FG die sogenannte Mitschlepptheorie. In diesem Fall muss bei einer Zusammenfassung die Voraussetzung „von einigem Gewicht“ jedoch im Verhältnis zum zusammengefassten BgA vorliegen. 

Revisionsverfahren ist beim BFH anhängig

Das FG hat die Revision gegen das Urteil zugelassen; das Revisionsverfahren ist so inzwischen beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig. Mit Beschluss des BFH im Januar dieses Jahres wird das Bundesfinanzministerium (BMF) deshalb aufgefordert, dem Revisionsverfahren beizutreten, um zu folgenden Fragen Stellung zu nehmen:

  1. Ermöglicht der Gesetzeswortlaut eine Zusammenfassung ohne organisatorische Verflechtung der zusammenzufassenden BgA?
  2. Gestattet das Gesetz eine mehrstufige Zusammenfassung von mehr als zwei BgA, bei der auf einer ersten Stufe zwei BgA zusammengefasst werden und es dann auf einer zweiten Stufe für die Zusammenfassung dieser zusammengefassten BgA mit einem weiteren BgA ausreicht, dass die Voraussetzungen nur zu einem der bereits zusammengefassten BgA vorliegen?

Es bleibt abzuwarten, wie sich das BMF in dem Verfahren positionieren wird. Mit einer Sachentscheidung und Urteilsveröffentlichung ist nach der Arbeitsplanung des zuständigen V. Senats bereits im Laufe dieses Jahres zu rechnen.

Das Urteil wird ganz erhebliche Bedeutung für die klassischen Bad-Versorger-Querverbünde haben, da das zugrunde liegende Zusammenfassungskonzept durch die aufgeworfenen Bedenken des BFH grundlegend in Gefahr gerät. Dazu kommt, dass sich der BFH damit gegen die jahrelange ausdrückliche Praxis der Finanzverwaltung stellt. Da drängt sich die Frage auf, worin diese doch eher überraschende Positionierung des BFH begründet liegen könnte.

Dazu ist zu wissen, dass ertragsteuerliche Fragen der öffentlichen Hand bisher im Zuständigkeitsbereich des I. Senats lagen. Im Zuge einer geänderten Geschäftsverteilung im BFH hat dieser Senat mit Wirkung zum Jahresanfang 2024 Zuständigkeiten an andere Senate abgegeben. Dabei wurde die Zuständigkeit für die Besteuerung der öffentlichen Hand im Bereich der Körperschaftsteuer dem V. Senat übertragen, dessen Rechtsprechung zur Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand Auslöser für die Schaffung von § 2b UStG gewesen ist.

Die Zuständigkeit des V. Senats erstreckt sich nunmehr auch auf die Körperschaftsteuer, wenn „ausschließlich die Anwendung von § 4, § 5 Abs. 1 oder § 8 Abs. 7 bis 9 KStG [mithin nur die öffentliche Hand betreffende Normen] streitig ist“. Bei dem hier vorliegenden Beschluss des V. Senats handelt es sich um den ersten Arbeitsnachweis des Senats in der neu auf ihn übergegangenen Materie.

Oliver Stoffers

Wirtschaftsprüfer / Steuerberater

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