Neue datenschutzrechtliche Hürden bei der Insolvenzanfechtung

Gang des Verfahrens

Der Kläger war ein Insolvenzverwalter, der vom zuständigen Finanzamt Auskunft über steuerrelevante Informationen der Insolvenzschuldnerin zur Vorbereitung einer Insolvenzanfechtung verlangte. Die Behörde lehnte den Antrag mit Verweis auf das Steuergeheimnis ab. Im daraus resultierenden Klageverfahren sprachen sowohl das Verwaltungsgericht als auch das Berufungsgericht dem Kläger einen Auskunftsanspruch zu.

Im Revisionsverfahren kam es nun zum Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und damit einhergehend der Änderung einiger Vorschriften der Abgabenordnung (AO). 

Die Entscheidung

Das BVerwG war zum ersten Mal mit der Auslegung der neu eingeführten §§ 32e, 32c Abs. 1 Nr. 2 AO betraut.

§ 32e AO beinhaltet eine Öffnungsklausel, die eine Beschränkung von Auskunftsansprüchen mit Verweis auf unter anderem § 32c Abs. 1 Nr. 2 AO zulässt.

Demnach wird jedweder Auskunftsanspruch ausgeschlossen, wenn „die Auskunftserteilung den Rechtsträger der Finanzbehörde in der Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung zivilrechtlicher Ansprüche oder in der Verteidigung gegen ihn geltend gemachter zivilrechtlicher Ansprüche […] beeinträchtigen würde.“

Art. 23 Abs. 1 lit. j DSGVO wiederum ermöglicht die Beschränkung durch die Union oder den nationalen Gesetzgeber, „sofern die Beschränkung den Wesensgehalt der Grundrechte und Grundfreiheiten achtet und in einer demokratischen Gesellschaft eine notwendige und verhältnismäßige Maßnahme darstellt, die [die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche] sicherstellt.“

Nach Auffassung des BVerwG umfasst der Wortlaut sowohl zivilrechtliche als auch öffentlich-rechtliche Personen. Die Norm schützt die „Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche“ insgesamt als besonderen Grundsatz des Vertrags- und Verfahrensrechts, unabhängig von den Eigenschaften der Beteiligten. Das BVerwG erweitert den Anwendungsbereich im Wege der Auslegung auch auf die Verteidigung gegen zivilrechtliche Ansprüche, da nicht ersichtlich ist, weshalb ausschließlich die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche besonders schützenswert ist.

Außerdem muss die Norm so verstanden werden, als dass auch „noch geltend zu machende“ bzw. „mögliche“ zivilrechtliche Ansprüche vom Gesetzgeber gemeint sind. Anderenfalls würde der Ausschluss erst eingreifen, nachdem der Auskunftsanspruch bereits befriedigt wurde, und die Norm hätte keinen praktischen Anwendungsbereich.

Diese Einschränkungen können nach Auffassung des BVerwG ebenfalls auf Art. 23 Abs. 1 lit. e DSGVO gestützt werden. Dieser umfasst „den Schutz sonstiger wichtiger Ziele des allgemeinen öffentlichen Interesses der Union oder eines Mitgliedstaats, insbesondere eines wichtigen wirtschaftlichen oder finanziellen Interesses der Union oder eines Mitgliedstaats, etwa im Währungs-, Haushalts- und Steuerbereich […].“

Der Staat hat ein wirtschaftliches und finanzielles Interesse an der Integrität der Finanzverwaltung. Die Steuerbehörden sollen nicht schlechter als andere Insolvenzgläubiger gestellt sein. Würde also regelmäßig ein Auskunftsanspruch gegenüber den Finanzbehörden erteilt, würde es im Vergleich zu privaten Insolvenzgläubigern zu wesentlich größeren Erfolgsaussichten gegen öffentliche Insolvenzgläubiger kommen.

Zusammenfassung

Die Informationsbeschaffung zur Vorbereitung einer Insolvenzanfechtung gegen Finanzbehörden wurde durch die Entscheidung des BVerwG deutlich erschwert. Allerdings muss man festhalten, dass lediglich eine Gleichstellung zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Insolvenzgläubigern vorgenommen wurde. Mit dem Urteil wurde die Einheit der Rechtsordnung gestärkt, wenngleich ein effektives Instrument für Insolvenzschuldner nun nicht mehr zur Verfügung steht.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25.2.2022 (10 C 4/20)

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Dr. Christian Lenz

Rechtsanwalt / Fachanwalt für Steuerrecht / Fachanwalt für Informationstechnologierecht

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