Besteuerung von Spekulationsgewinnen bei Immobilienverkauf
Kernaussage
Veräußert ein Steuerpflichtiger seine private Immobilie innerhalb von zehn Jahren nach der Anschaffung, unterliegt ein hieraus entstehender Gewinn der Einkommensteuer. Hiervon macht das Einkommensteuergesetz in § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG zwei Ausnahmen: Eine Versteuerung des Veräußerungsgewinns unterbleibt, wenn die Immobilie im Zeitraum zwischen Anschaffung und Verkauf ausschließlich eigenen Wohnzwecken diente (erste Ausnahme) oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde (zweite Ausnahme). Speziell der zweite Ausnahmetatbestand scheint hinsichtlich seiner Auslegung Raum für Interpretationen zu liefern, wie der nachfolgende Fall zeigt.
Sachverhalt
Der Kläger hatte im Jahr 2006 eine Eigentumswohnung erworben und diese ohne Unterbrechung bis April 2014 selbst bewohnt. In den Monaten Mai bis Dezember 2014 vermietete er die Wohnung an Dritte und veräußerte sie sodann Ende Dezember 2014. Den daraus entstandenen Veräußerungsgewinn wollte das Finanzamt besteuern. Dagegen setzte sich der Kläger zur Wehr. Er habe die Wohnung im Jahr der Veräußerung und in den beiden Jahren zuvor selbst zu Wohnzwecken genutzt. Das Einkommensteuergesetz fordere keine ausschließliche Nutzung zu eigenen Wohnzwecken im Jahr der Veräußerung, insoweit unterliege der Gewinn aus dem Verkauf der Immobilie auch nicht der Steuerpflicht.
Entscheidung des Finanzgerichts
Das Finanzgericht Baden-Württemberg gab dem Kläger Recht. Die Richter argumentierten, dass der zweite Ausnahmetatbestand des § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG „nach seinem klaren Wortlaut – anders als die erste Alternative – keine Ausschließlichkeit der Eigennutzung“ erfordere. Es genüge vielmehr die Eigennutzung im Jahr des Verkaufs und in den beiden Jahren davor. Zudem müsse die Eigennutzung – mit Ausnahme des mittleren Kalenderjahrs – nicht durchgehend während des gesamten Kalenderjahrs vorliegen. Es ist daher ausreichend, dass der Kläger die Immobilie im Jahr des Verkaufs nur vier Monate lang selbst bewohnt hat.
Auch die Argumentation des beklagten Finanzamts, dass der Gesetzgeber ausdrücklich nur den Gebäudeleerstand im Zeitraum zwischen Beendigung der Selbstnutzung und Verkauf als steuerunschädlich ansieht, nicht aber die Vermietung, wollte das Finanzgericht nicht gelten lassen. Nur weil das vom Finanzamt zitierte Schreiben des Bundesfinanzministeriums den Gebäudeleerstand im Zeitraum zwischen Beendigung der Selbstnutzung und Verkauf als steuerunschädlich einstuft, könne man daraus nicht den Umkehrschluss ziehen, dass eine entsprechende Vermietung steuerschädlich sei. Denn nach dem Willen des Gesetzgebers lag der Sinn und Zweck der Ausnahmetatbestände in § 23 einzig und allein darin, eine „ungerechte“ Besteuerung beim Verkauf von Immobilien zu vermeiden (z.B. Aufgabe des Wohnsitzes wegen Arbeitsplatzwechsels). Dem widerspreche es, wenn eine kurzfristige Vermietung bis zum Verkauf der Wohnung zur Steuerpflicht führe, während ein Leerstand steuerunschädlich sei.
Konsequenz
Das Finanzgericht hat ausdrücklich keine Revision beim Bundesfinanzhof zugelassen. Nach Ansicht des Gerichts ist die Sachlage eindeutig und bedarf keiner weiteren abschließenden Klärung durch das oberste Steuergericht. Das sieht das Finanzamt anders und hat Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Insoweit ist das Urteil derzeit noch nicht rechtskräftig.