Anwendbarkeit des Urlaubsrechts für GmbH-Fremdgeschäftsführer

Der Fall

Es klagte eine GmbH-Fremdgeschäftsführerin auf Urlaubsabgeltung gegen die beklagte Gesellschaft. Die Klägerin musste im Rahmen ihrer Tätigkeit feste Arbeitszeiten einhalten. Vormittags war sie verpflichtet, eine Kaltakquise durchzuführen, am Nachmittag hatte sie in eigener Initiative Leistungen anzubieten und wurde im Außendienst, zu Kundenbesuchen und mit Kontroll- und Überwachungsaufgaben eingesetzt. Sie war verpflichtet, wöchentlich 40 Telefonate und 20 Kundenbesuche nachzuweisen. Darüber hinaus führte sie Vorstellungsgespräche und Einstellungsverhandlungen. In den Jahren 2019 und 2020 nahm die Klägerin nur anteilig bzw. keinen Urlaub. Sie kündigte ihr Anstellungsverhältnis im Jahr 2020 und machte Urlaubsabgeltung geltend. 

Bundesarbeitsgericht nimmt europarechtskonforme Auslegung an

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied, dass der Klägerin als GmbH-Fremdgeschäftsführerin ein Urlaubsabgeltungsanspruch nach dem Bundesurlaubsgesetz zusteht. 

Dabei ist das Gericht davon ausgegangen, dass das Bundesurlaubsgesetz von unionsrechtlichen Regelungen geprägt ist. Insofern gelte hier der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff. Arbeitnehmer:in sei danach jede Person, die eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt. Das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses bestehe darin, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält. Nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) können auch Mitglieder des Leitungsorgans, wie z.B. Geschäftsführer:innen, diesen europäischen Arbeitnehmerbegriff erfüllen. Dies folge daraus, dass die Eigenschaft als Arbeitnehmer:in im Sinne des Unionsrechts von den Bedingungen abhängt, unter denen das Mitglied des Leitungsorgans bestellt wurde, der Art der übertragenen Aufgaben, dem Rahmen, in dem diese Aufgaben ausgeführt werden, dem Umfang der Befugnisse des Mitglieds und der Kontrolle, der es innerhalb der Gesellschaft unterliegt, sowie der Umstände, unter denen es abberufen werden kann. 
Die Geschäftsführerin in dem zu entscheidenden Fall fiel nach Auffassung des BAG aufgrund ihrer weisungsgebundenen Tätigkeit unter den unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff, der auch für das Urlaubsrecht Anwendung findet. 

Was bedeutet das für die Praxis?

Die Entscheidung des BAG zeigt, dass Fremdgeschäftsführer:innen mehr Arbeitnehmerschutz genießen als auf den ersten Blick angenommen. Arbeitgeber sollten also u.a. ein besonderes Augenmerk auf Urlaubsansprüche von GmbH-Fremdgeschäftsführer:innen legen und sind gut beraten, sich bei weitergehenden Fragen juristische Hilfe einzuholen. 

Damit aber nicht genug. Der Umstand, dass Fremd-Geschäftsführer:innen unter den Arbeitnehmerbegriff fallen können, ist für sich genommen keine Neuigkeit in der Rechtsprechung. Den Stein ins Rollen gebracht hat der EuGH mit der sogenannten Danosa-Entscheidung. Die gleichnamige schwangere Geschäftsführerin machte in dem seinerzeit zunächst in Lettland entschiedenen Fall ein Kündigungsverbot für schwangere Arbeitnehmerinnen geltend und berief sich dabei auf eine für Arbeitnehmerinnen geltende europäische Richtlinie. Der EuGH stellte seinerzeit erstmals fest, dass der unionsrechtliche Arbeitnehmerstatus auch eine Geschäftsführerin umfassen kann. Voraussetzung sei, dass diese gegenüber einer Gesellschaft Leistungen erbringt und in diese eingegliedert ist, dass sie ihre Tätigkeit für eine bestimmte Zeit nach der Weisung oder unter Aufsicht eines anderen Organs der Gesellschaft ausübt und dass sie als Gegenleistung ein Entgelt erhält. Diese Voraussetzungen sind für GmbH-Geschäftsführer:innen so gut wie immer erfüllt, jedenfalls solange sie keinen nennenswerten eigenen Geschäftsanteil halten.

Der Bundesgerichtshof griff im Folgenden die Entscheidung des EuGH auf und entschied sodann, dass GmbH-Fremdgeschäftsführer:innen in Bezug auf das Allgemeine Gleichheitsgesetz (AGG) Arbeitnehmer:innen sein können. Auch hier wandte der Bundesgerichtshof den unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff an und stellte maßgeblich auf den Grad der Eingliederung und Weisungsgebundenheit des Fremd-Geschäftsführers im Betrieb ab. 

Das BAG reiht sich nun mit seiner Entscheidung und Argumentation in die höchstrichterliche Rechtsprechung ein. 

Gerne beraten wir Sie im Hinblick auf die Beschäftigung von Fremd-Geschäftsführer:innen. 

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.7.2023 – 9 AZR 43/22

Michael Huth

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht

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