Stromlieferung als selbstständige Hauptleistung neben steuerfreier Vermietung
Kernaussage
Das FG Niedersachsen hat entschieden, dass auch wenn Strom über eine Photovoltaikanlage vom Vermieter erzeugt und an die Mieter geliefert wird, es sich dabei im Regelfall nicht um eine unselbstständige Nebenleistung der (steuerfreien) Vermietung handelt. Entscheidend ist, dass der Mieter die Möglichkeit hat, den Stromanbieter frei zu wählen.
Sachverhalt
Der Kläger vermietet mehrere Wohnungen umsatzsteuerfrei (§ 4 Nr. 12 Buchst. a UStG) und hatte im Streitjahr auf dem Dach der Häuser Photovoltaikanlagen installiert. Den erzeugten Strom speicherte der Kläger und lieferte ihn an die Mieter zu einem handelsüblichen Preis. Die jährliche Abrechnung erfolgte über einzelne Zähler mit einer individuellen Abrechnung für jeden Mieter. Hierzu schloss der Kläger mit den Mietern eine Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag, in der u. a. geregelt war, dass der Stromlieferungsvertrag mit einer Frist von vier Wochen zum Monatsende gekündigt werden kann. Für einen anderweitigen Bezug des Stroms hatte der Mieter die dafür erforderlich werden Umbaukosten (ca. 500 Euro) zu tragen. Die Vorsteuer (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG) aus den Eingangsrechnungen des Installationsbetriebs machte der Kläger steuermindernd geltend. Das beklage Finanzamt versagte den Abzug mit der Begründung, dass die Stromlieferung eine unselbstständige Nebenleistung zur umsatzsteuerfreien Vermietung sei (Abschn. 4.12.1 Abs. 5 S. 3 UStAE). Gegen diese ablehnende Entscheidung des FA legte der Kläger Einspruch ein. Er begründete diesen damit, dass nach seiner Auffassung Stromerzeugung und Lieferung an die Mieter einerseits und Vermietungsleistung andererseits zwei getrennte selbstständige Leistungen darstellten. Zur Begründung verwies der Kläger auf die Entscheidung des EuGHs v. 15.4.2015 – C-42/14. Gegen die ablehnende Einspruchsentscheidung wurde Klage eingereicht.
Entscheidung
Nach Auffassung des FG handelt es sich bei der Stromlieferung um eine selbstständige Leistung neben der Vermietung. Maßgebend dafür sei, dass die Verbrauchsmenge individuell mit den Mietern abgerechnet werde und die Mieter die Möglichkeit hätten, den Stromanbieter frei zu wählen. Dass sie für den Fall der Kündigung des Stromliefervertrags mit dem Kläger die Umbaukosten zu tragen hätten, um dann den Strom von einem anderen Anbieter zu beziehen, erschwere den Wechsel zwar, mache ihn aber keinesfalls unmöglich. Auch der EuGH habe in einem vergleichbaren Fall die Stromlieferung als von der Vermietung getrennt angesehen (EuGH, Urteil vom 16.04.2015 – C-42/14).
Hinweis
Das FG hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache zugelassen. Die Frage, ob und ggfs. unter welchen Voraussetzungen Vermietungsleistungen und Leistungen über Nebenkosten eine einheitliche Leistung oder zwei getrennte Leistungen darstellen, hat der BFH in der Entscheidung V R 37/14 (Vermietung möblierter Räume) zwar angesprochen aber nicht zu entscheiden gehabt. Er hat dies lediglich unter Hinweis auf die EuGH Sache Wojskowa Agencja Mieszkaniowa w Warszawie (a.a.O.) angeführt. Die Finanzverwaltung wendet die Entscheidung des EuGHs in der Rechtssache Wojskowa Agencja Mieszkaniowa w Warszawie (EuGH, Urt. v. 16.4.2015 –C-42/14) nicht an, sondern vertritt weiterhin die Auffassung, dass es sich bei Stromlieferungen an Mieter um eine Nebenleistung zur Hauptleistung „Vermietung“ handelt (Abschn. 4.12.1 Abs. 5 S. 3 UStAE).