Paradigmenwechsel im kommunalen Vergaberecht NRW – Landesregierung plant umfassende Liberalisierung der Vergabegrundsätze
Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat am 11.2.2025 einen Gesetzentwurf beschlossen, der das kommunale Vergaberecht grundlegend reformieren soll. Der Entwurf wurde bereits am 13.2.2025 als Vorlage 18/3597 dem Landtag zugeleitet und könnte unmittelbar nach Verkündung, die noch im Laufe des Jahres vorgesehen ist, in Kraft treten.
Kernpunkte der Reform
Im Mittelpunkt steht die vollständige Aufhebung der bisherigen landesrechtlichen Wertgrenzen für kommunale Vergabeverfahren. Kommunen sollen künftig erst ab Erreichen der EU-Schwellenwerte zur Durchführung förmlicher Ausschreibungen verpflichtet sein.
Die bisherigen Vorgaben zur Anwendung der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) und der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A) entfallen. Stattdessen führt ein neuer § 75a in der Gemeindeordnung NRW einen allgemeinen Vergabegrundsatz ein: Öffentliche Aufträge sind wirtschaftlich, effizient und sparsam unter Beachtung von Gleichbehandlung und Transparenz zu vergeben. Kommunen erhalten damit ähnliche Freiheiten wie ihre privatrechtlich organisierten Tochtergesellschaften. Bemerkenswert ist die Orientierung am Schweizer Modell: Der Zuschlag soll künftig auf das wirtschaftlichste, nicht zwingend auf das preisgünstigste Angebot erfolgen. Das ermöglicht eine stärkere Berücksichtigung von Qualität, Zweckmäßigkeit und Betriebskosten. Kommunen behalten zudem die Möglichkeit, per Satzungsbeschluss eigene, auch strengere Vergaberegeln festzulegen.
Bewertung und Perspektiven
Fachkreise bewerten die Reform überwiegend als Chance für erheblichen Bürokratieabbau und kommunale Flexibilität. Die Entlastung von formalen Verfahrensvorgaben verspricht effizientere Beschaffungsprozesse und mehr Gestaltungsspielraum bei der Auftragsvergabe. Gleichzeitig birgt der Wegfall klarer Verfahrensrichtlinien auch Risiken: Kommunen tragen künftig mehr Eigenverantwortung für die rechtssichere Ausgestaltung ihrer Vergabeverfahren. Eine sorgfältige Dokumentation und klare interne Regelungen werden umso wichtiger, um dem Transparenzgebot zu genügen und mögliche Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden. Es ist daher zu empfehlen, frühzeitig zu prüfen, inwieweit eigene Vergaberegeln per Satzung festgelegt werden sollten.
Reform markiert eine Paradigmenwechsel
Die geplante Reform markiert einen grundlegenden Paradigmenwechsel im kommunalen Vergaberecht NRW – weg von starren Verfahrensvorgaben, hin zu mehr kommunaler Eigenverantwortung. Sie bietet Chancen für effizientere, qualitätsorientierte Beschaffungsprozesse, erfordert aber auch ein Umdenken in der Vergabepraxis. Kommunen sollten die gewonnene Flexibilität nutzen, dabei jedoch stets die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit, Transparenz und Gleichbehandlung im Blick behalten. Für kommunale Entscheidungsträger und Vergabestellen bedeutet das, ihre internen Prozesse rechtzeitig zu überprüfen und dementsprechend anzupassen, um den neuen Handlungsspielraum rechtssicher zu nutzen. Die Reform könnte damit zum Testfall für eine moderne, entbürokratisierte kommunale Vergabepraxis werden.