Umsatzsteuerliche Organschaft: Innenleistung nach EuGH nicht steuerbar!
Mit einem Urteil im Jahr 2022 hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) für Irritationen gesorgt, weil danach die Möglichkeit, den Organträger zum Steuerpflichtigen zu bestimmen, voraussetzte, dass keine Steuerverluste drohen. Daraus meinte der deutsche Bundesfinanzhof (BFH) zu lesen, dass auch Innenleistungen im Rahmen einer Organschaft der Umsatzsteuer zu unterwerfen wären – eine Sichtweise, die gerade auch im Bereich der öffentlichen Hand eine verbreitete Umsatzsteuergestaltung zu Fall gebracht hätte.
Dieser Sichtweise ist der EuGH diesen Sommer nun jedoch entgegengetreten. Eindeutig und sehr klar hat das Gericht entschieden, dass gegen Entgelt erbrachte Leistungen zwischen Personen, die ein und derselben Mehrwertsteuergruppe angehören, die aus rechtlich selbstständigen, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbundenen Personen besteht und von einem Mitgliedstaat als einzige Steuerpflichtige bestimmt wird, selbst dann nicht der Mehrwertsteuer unterliegen, wenn die vom Empfänger dieser Leistungen geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer nicht als Vorsteuer abgezogen werden darf. Zwar steht noch die Entscheidung des BFH aus, doch dürfte dieser dem EuGH angesichts der klaren Urteilsgründe ähnlich eindeutig folgen.
Dem EuGH-Urteil lagen zwei Fragen des V. Senats des BFH im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens zugrunde. So stellt der BFH die Frage, ob die Zusammenfassung mehrerer Personen zu einem Steuerpflichtigen dazu führe, dass entgeltliche Leistungen zwischen diesen Personen nicht dem Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer unterliegen, also die Frage, ob sogenannte Innenumsätze im Organkreis nicht umsatzsteuerbar seien. Des Weiteren fragt der BFH, ob eine Umsatzsteuerbarkeit der Innen-umsätze zumindest dann in Betracht komme, wenn der Leistungsempfänger selbst nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Der EuGH bestätigt daraufhin mit seinem Urteil, dass innerorganschaftliche Umsätze nicht umsatzsteuerbar sind.
Eine abweichende Entscheidung hätte gravierende finanzielle Folgen haben können. Sämtliche Innenumsätze, die nicht aufgrund einer expliziten Steuerbefreiungsnorm isoliert betrachtet steuerfrei gewesen wären, hätte man der Umsatzsteuer unterwerfen müssen. Die umsatzsteuerliche Organschaft behält somit ihre praktische Bedeutung, über die sie bereits in der Vergangenheit verfügte.
Der wesentliche Anwendungsbereich der umsatzsteuerlichen Organschaft bestand und besteht darin, die Entstehung von Umsatzsteuer zwischen den Beteiligten zu verhindern. Das hat dann materielle Bedeutung, wenn der jeweilige Leistungsempfänger über keine Berechtigung zum vollständigen Vorsteuerabzug verfügt und somit die ihm gegenüber entstehende Umsatzsteuer zu einer wirtschaftlichen Belastung führen würde. Die umsatzsteuerliche Organschaft bleibt somit weiterhin ein attraktives Gestaltungsinstrument für Unternehmen, die kein volles Vorsteuerabzugsrecht haben. Allerdings ist zu beachten, dass die Verwendung bezogener Eingangsleistungen für Zwecke einer nicht (voll) zum Vorsteuerabzug berechtigten Einheit auch im Organkreis den Vorsteuerabzug aus der Eingangsleistung insoweit ausschließt. Die positiven Effekte betreffen damit in erster Linie Leistungen, bei denen keine substanziellen, mit Vorsteuer belasteten Eingangsleistungen bezogen werden. Hierzu gehören insbesondere Leistungen, die in großem Umfang von einer Einheit des Organkreises mit eigenem Personal ausgeführt werden, aber auch Leistungen, bei denen Vorleistungen in großem Umfang steuerfrei sind, z. B. weil eine Immobilie steuerfrei vermietet wird. Sind die Eingangsleistungen dagegen selbst mit Vorsteuer belastet, beschränkt sich der steuerliche Effekt der Nichtsteuerbarkeit auf die Differenz zwischen der Bemessungsgrundlage der Eingangsleistungen und der Bemessungsgrundlage der Ausgangsleistung. Die zweite Vorlagefrage, ob etwas anderes gelte, wenn dem Leistungsempfänger des Innenumsatzes kein Recht auf Vorsteuerabzug zustehe, verneinte der EuGH. Auch insoweit bestätigt der EuGH die jahrzehntelange Auffassung der Finanzverwaltung und der Finanzrechtsprechung, dass Innenumsätze stets umsatzsteuerlich irrelevant sind – und das unabhängig von der Frage, ob dem Leistungsempfänger im Organkreis ein Vorsteuerabzug zusteht oder nicht. Dabei spielt es ausdrücklich keine Rolle, ob die Einheit des Organkreises, die die jeweilige Leistung empfängt, isoliert betrachtet zum Vorsteuerabzug berechtigt wäre oder nicht. Der EuGH betont, dass sich die Rechtsfolge der Nichtsteuerbarkeit daraus ableiten lässt, dass es bei einer Organschaft nur einen Steuerpflichtigen gibt, womit steuerbare Leistungen zwischen den beteiligten Personen nicht in Betracht kommen.
Dennoch dürfte sowohl für die Finanzverwaltung als auch für den Gesetzgeber Handlungsbedarf bestehen. So bedarf der Umsatzsteueranwendungserlass insofern der Anpassung, als sämtliche Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger stets von diesem finanziell beherrscht sein müssen. Diese Auffassung hat der EuGH bereits im Jahr 2021 verworfen; auch der BFH änderte 2023 folgerichtig seine. Darüber hinaus scheint es geboten, die Organschaft rechtssicherer auszugestalten und die vom EuGH bereits kritisch bewertete Eingliederung im Sinne eines Über- und Unterordnungsverhältnisses durch den weiter gefassten Begriff der engen Beziehungen zu ersetzen.