Neues zum Sanierungserlass
Hintergrund
Steuerrecht ist im Wesentlichen Eingriffsrecht, das einer gesetzlichen Grundlage bedarf. Nicht immer gelingt es dem Gesetzgeber, das Recht verfassungsgemäß auszugestalten. Für die Sanierung von Unternehmen fehlte eine gesetzliche Regelung, durch Sanierungsgewinne nicht kontraproduktiv (neue) Steuerverbindlichkeiten entstehen zu lassen. Eine entsprechende, für den Steuerpflichtigen vorteilhafte Verwaltungsregelung – den sogenannten Sanierungserlass – hatte der Große Senat des Bundesfinanzhofs mit Beschluss vom 28.11.2016 als rechtswidrig qualifiziert, weil er gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Verwaltung ist kein Ersatzgesetzgeber) verstößt.
Übergangsregelung
Der Gesetzgeber reagierte durch eine gesetzliche Regelung in § 3a EStG, deren Wirksamkeit jedoch noch von der EU-rechtlichen Prüfung der Kommission abhängt; die Frage einer unzulässigen Beihilfe ist offen. Da die gesetzliche Neuregelung nur Fälle nach der Veröffentlichung des Beschlusses des Großen Senats (ab 9.2.2017) erfasst, ordnete das Bundesministerium der Finanzen mit Schreiben vom 27.4.2017 die weitere Anwendung des Sanierungserlasses auf die Fälle an, in denen der Forderungsverzicht davor endgültig vollzogen wurde. Hintergrund für die Übergangsregelung waren Gründe des Vertrauensschutzes. In zwei Verfahren vor dem Bundesfinanzhof, in denen Steuerpflichtige und Finanzverwaltung über die Erfüllung der Voraussetzungen des Sanierungserlasses stritten, hat das Gericht festgestellt, dass auch die Übergangsregelung einen Verstoß gegen die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung darstellt.
Verfassungsbeschwerde
Nun hat die unterlegene Klägerin aus dem Verfahren gegen die Entscheidung des Bundesfinanzhofs Verfassungsbeschwerde erhoben, die anhängig ist. Die finale Prüfung der Rechtmäßigkeit des Sanierungserlasses inklusive der Übergangsregelung steht somit in Aussicht. Entsprechende Fälle, die in den Anwendungsbereich des früheren Sanierungserlasses fielen, sollten offengehalten werden. Bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ruhen anhängige Einsprüche aufgrund § 363 Abs. 2 Satz 2 AO.
Schreiben des Bundesfinanzministeriums
Derweil hat auch die Finanzverwaltung mit Schreiben vom 29.3.2018 zu den Urteilen des Bundesfinanzhofs Stellung bezogen. So sollen die Urteile über die entschiedenen Einzelfälle hinaus nicht angewendet werden. Der Finanzausschuss des Deutschen Bundestags habe im Rahmen seines Berichts die in der Gesetzesbegründung ausdrücklich genannte Vertrauensschutzregelung der Verwaltung mittels sogenannten „beredten Schweigens“ des Gesetzgebers akzeptiert.