Nachzahlungszinsen in Höhe von 6 % nicht verfassungswidrig

Hintergrund

Die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen ist in § 233a AO geregelt. Die Verzinsung beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist und endet mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird. Gemäß § 238 AO betragen die Zinsen für jeden Monat 0,5 %. Folglich ergibt sich ein jährlicher Zinssatz in Höhe von 6 %. Durch das in den letzten Jahren kontinuierlich gesunkene Zinsniveau sind in der Literatur zunehmend verfassungsrechtliche Zweifel an der Höhe der Nachzahlungszinsen aufgekommen. Der Bundesfinanzhof äußert sich mit Urteil vom 9.11.2017 zur Verfassungsmäßigkeit des gesetzlichen Zinssatzes.

Sachverhalt

Der Kläger erhielt im Veranlagungszeitraum 2011 eine zu versteuernde Sonderzahlung aus der Beteiligung an einer Gesellschaft. Dies teilte er dem Finanzamt am 25.11.2011 mit und beantragte, die Einkommensteuervorauszahlungen anzupassen. Das Finanzamt ordnete die Sonderzahlung den Einkünften aus Gewerbebetrieb zu und berechnete die vorauszuzahlende Einkommensteuer unter Abzug einer Ermäßigung gemäß § 35 EStG. In einem späteren Einspruchsverfahren wurde die Sonderzahlung jedoch in Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit umqualifiziert. Wegen des Wegfalls der Ermäßigung nach § 35 EStG leistete der Kläger im Juli 2013 eine freiwillige Sonderzahlung an das Finanzamt. Der Einkommensteuerbescheid 2011 erging Ende September 2013 und setzte für den Zeitraum von April (15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres 2011) bis September 2013 Nachzahlungszinsen fest. Dem Antrag des Klägers, die Zinsen zu erlassen, entsprach das Finanzamt nur insoweit, als es wegen der im Juli 2013 erfolgten freiwilligen Zahlung einen Erlass der Zinsen für August und September 2013 aussprach.

Entscheidung

In seinem Urteil bejaht der Bundesfinanzhof die Verfassungsmäßigkeit der geltenden Zinsregelung. Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz liege nicht vor. Die Unterscheidung zwischen zinszahlungspflichtigen und nicht zinszahlungspflichtigen Steuerschuldnern beruhe auf der zulässigen typisierenden Annahme, dass die zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfolgenden Steuerfestsetzungen zu potentiellen Zinsvor- oder -nachteilen führen können. Auch hinsichtlich der Zinshöhe verneint der Bundesfinanzhof einen Gleichheitsverstoß, da innerhalb der Gruppe der zinspflichtigen Steuerpflichtigen bei allen Betroffenen der gleiche Zinssatz zugrunde gelegt werde. Ferner verstoße die Zinshöhe auch nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Im Rahmen eines Vergleichs von Zinssätzen für verschiedene kurz- und langfristige Einlagen und Kredite ergaben sich für 2013 Zinssätze innerhalb einer Bandbreite von 0,15 % bis 14,70 %. Trotz Absinken des Leitzinses der Europäischen Zentralbank auf unter 1 % könne folglich nicht davon ausgegangen werden, dass der gesetzliche Zinssatz die Bandbreite realitätsnaher Referenzwerte verlassen habe.

Fazit

Hinzuweisen ist insbesondere darauf, dass sich das vorliegende Urteil lediglich auf Nachzahlungszinsen für das Jahr 2013 erstreckt. Es bleibt somit abzuwarten, ob sich für Jahre nach 2013 eine andere Beurteilung ergeben könnte. Im Hinblick auf die Vermeidung von hohen Nachzahlungszinsen kann es in bestimmten Fällen ratsam sein, eine freiwillige Vorauszahlung an das Finanzamt zu leisten, um so gegebenenfalls einen (teilweisen) Erlass der festgesetzten Nachzahlungszinsen zu erreichen.

Benno Lange

Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Fachberater für Internationales Steuerrecht

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