Kindergeld für ein im außereuropäischen Ausland studierendes Kind

Absolvierung Freiwilligenjahr

Die volljährige Tochter (T) absolvierte für den Zeitraum Anfang September 2018 bis einschließlich Juni 2019 (aus Darstellungsgründen wird im Sachverhalt auf eine taggenaue Abbildung der Abschnitte verzichtet) ein freiwilliges soziales Jahr im Drittstaat. Während der Absolvierung Ihres Freiwilligenjahrs erhielt Sie im März 2019 die Zusage für einen Studienplatz mit Startbeginn Mitte Oktober 2019 (Drittstaat). In der Übergangszeit zwischen Beendigung Ihres Freiwilligenjahres und dem Start Ihres Studiums kehrte Sie für die Monate Juli und August 2019 zum elterlichen Wohnsitz nach Deutschland zurück. Ende August flog Sie in den Drittstaat und zog erst mit Vertragsbeginn zu Mitte September 2019 in eine von Ihrem Lebensgefährten angemietete Wohnung dort mit ein. Ab dem Monat August 2019 erhielt Sie kein Kindergeld mehr. Die Familienkasse begründete die Ablehnung damit, dass T mit ihrem Auszug nicht länger einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte. Dagegen reichte Ihr Vater (V) Klage beim Finanzgericht ein mit dem Ziel für einen Zeitraum von vier Monaten (August – November 2019) Kindergeld für seine Tochter zu erhalten.

Abstellen auf Aufenthaltscharakter

Das Hessische Finanzgericht (Verweis: Hessisches Finanzgericht vom 19.12.2022 – 8 K 1775/19) wies die Klage mit der Begründung zurück, dass bei einer Rückkehr von wenigen Wochen zum inländischen Wohnsitz der Eltern der Besuchscharakter überwöge. Auch ließe eine vor Studienbeginn verfrühte Abreise in den Drittstaat die Schlussfolgerung zu, dass der Wohnsitz nicht länger an der elterlichen Adresse läge. 
Der Bundesfinanzhof hob das Urteil des Finanzgerichts auf.

Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt

Für die Gewährung des Kindergeldes ist zwingende Voraussetzung, dass das Kind einen festen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland oder in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat innehat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum zutrifft. Die Art der Benutzung einer inländischen Adresse für steuerliche Zwecke ist nach tatsächlichem Lebenssachverhalt zu entscheiden. Das bedeutet, dass objektive Umstände vorliegen müssen, die auf eine dauerhafte oder zumindest längerfristige beabsichtige Nutzung hindeuten. (§§ 8 und 9 der Abgabenordnung) Erstes gilt besonders, wenn die Wohnung jemandem dauerhaft bereitgestellt wird und keinem anderen Zweck dient. („Innehaben der Wohnung“). Konkretisiert auf mehrjährige Auslandsaufenthalte von Kindern zu Ausbildungszwecken wurde die gängige Rechtsprechung im vorhergegangenen Urteil des Bundesfinanzhofes zu diesem Thema verfeinert: 

Kernpunkt: Aufenthalt in der ausbildungsfreien Zeit 

Vom Grunde her schließt die mehrjährige Aufenthaltsdauer im Drittstaat - auch zwecks Studium - einen inländischen Wohnsitz des Kindes, insbesondere in der elterlichen Wohnung, aus, da ein Lebensmittelpunkt im Ausland angenommen wird. Ausnahmsweise behält das Kind in Fällen, in denen es sich im Rahmen der ausbildungsfreien Zeit überwiegend am elterlichen Wohnsitz aufhält, die inländische Wohnsitzzugehörigkeit und folglich auch seine Kindergeldberechtigung. Für die Berechnung der ausbildungsfreien Zeit ist Ausbildungs-, Schul oder Studienjahr abzustellen. Sollte der überwiegende Teil zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr in der elterlichen Wohnung verbracht werden, stellt mit letztmaliger Abreise nach Entschlussfassung oder Auszug des Kindes die elterliche Adresse nicht länger den inländischen Wohnsitz des Kindes dar. Dieses Urteil findet auch auf Übergangszeiten Anwendung, die nicht zwischen zwei Studienabschnitten, sondern zwischen einer ähnlichen Ausbildungsmaßnahme und dem Beginn eines Studiums liegen, wie im vorgestellten Fall. Die reine Verlängerung des Auslandsaufenthaltes der Tochter mit Antritt eines mehrjährigen Studiums darf laut Bundesfinanzhof für sich allein keinen Rückschluss auf die Aufgabe des Wohnsitzes zulassen. 

Sachverhaltsermittlung obliegt dem Finanzgericht

Der Bundesfinanzhof weist das Finanzgericht an die Einzelfallumstände für eine abschließende Beurteilung des inländischen Wohnsitzes für den Zeitraum September bis November 2019 zu überprüfen. Denn trotz der Tatsache, dass eine Wohnung angemietet wurde, steht die abschließende Beurteilung, ob die ausbildungsfreie Zeit mehr am inländischen Wohnsitz oder in der ausländischen Wohnung verbracht wurde, noch aus. Diese ist maßgebend für die Inlands- und damit auch die Kindergeldfestsetzung. Für den Monat August 2019 ist zwingend Kindergeld von der Familienkasse auszuzahlen, da nach dem Monatsprinzip mindestens bis zum Auszug Mitte August, als frühestmöglichem Zeitpunkt der Aufgabe, der inländische Wohnsitz bestand und dadurch das Kindergeld zwecks fehlender taggenauer Aufteilung für den ganzen Monat zu zahlen war.

Unsere Empfehlung 

Das umfassende Angebot an (Drittlands-)Auslandsaufenthalten nach Schulabschluss ist immens und wird regelmäßig gerne von den Absolventen wahrgenommen. Gerade wenn mehrere, längerfristige Projekte mit Ausbildungsbezug vom Kind wahrgenommen werden und zeitgleich weiterhin regelmäßige Aufenthalte des Kindes an einer deutschen Wohnadresse gegeben sind erscheint es sinnvoll, eine Berechnung zum Aufenthalt während einer „ausbildungsfreien Zeit“ vorzunehmen. Mit Wissen um die Urteile des Bundesfinanzhofes sollte das Thema Kindergeld nicht allzu früh bei einem Drittlandsaufenthalt des Kindes aus den Augen verloren und sich bei realistischen Erfolgsaussichten frühzeitig mit einer für Dritten ersichtlichen Dokumentation auseinandergesetzt werden. 

Dr. Lutz Engelsing

Steuerberater

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Sarah Färber-Müller

Steuerberaterin

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