Keine Lieferung dezentral verbrauchten Stroms

Kernaussage

Die Zahlung eines sogenannten KWK-Zuschlags für nicht eingespeisten, sondern dezentral verbrauchten Strom gemäß § 4 Abs. 3a KWKG 2009, führt nicht zu einer Lieferung im Sinne von § 3 Abs. 1 UStG. 

Sachverhalt

Die Klägerin (K) ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts, die wegen der Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens als gemeinnützig anerkannt ist. Sie hatte auf ihrem Gelände ein eigenes Stromnetz (sog. Kundenanlage), das wiederum mit dem Stromnetz des Stromnetzbetreibers verbunden war. Im Jahr 2009 schlossen die A GmbH, deren gesamten Anteile eine 100%ige Tochtergesellschaft der K hielt, und die Klägerin eine Vereinbarung über die Übertragung des Energiemanagements und einen Energieliefervertrag, wonach die A GmbH die ausschließliche Energieversorgung der K übernahm. Dies betraf die umfassende Versorgung der K mit Strom, Fernwärme (Wärme/Kälte) sowie Gas. Danach kaufte die A GmbH die benötigte Energie ein und berechnete sie K in Höhe der eigenen Aufwendungen zuzüglich einer Marge. Es war beabsichtigt, zukünftig einen wesentlichen Teil des Energiebedarfs der K über Eigenerzeugungsanlagen (BHKW) abzudecken und dann die bisher vereinbarte Preisregelung neu festzulegen. Dies betraf insbesondere die Einspeisepunkte für Strom und für Fernwärme.

Im Streitjahr erbaute die Klägerin ein BHKW zur Strom- und Wärmeerzeugung (Kraft-Wärme-Kopplung --KWK--), dass an das eigene Stromnetz der K angeschlossen wurde. Einen Vorsteuerabzug hieraus machte sie nicht geltend. Die K überließ der A GmbH noch im Streitjahr mit einem als "Pachtvertrag" bezeichneten Vertrag den Betrieb des BHKW. Danach war die K verpflichtet, der A GmbH das BHKW zum Zwecke des Betriebs inklusive der Erzeugung und Lieferung von Strom und Wärme an die K und an Dritte zu überlassen. Der Verkauf und die Lieferung von Strom und Wärme sollte aufgrund des Energieliefervertrages und der dazu ergangenen Nachtragsvereinbarungen erfolgen. Die Einnahmen aus dem "Pachtvertrag" erfasste die K im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb "Leistungen an die A GmbH".

Den im BHKW erzeugten Strom verbrauchte K nahezu vollständig (dezentral) selbst. Eine Einspeisung in das Stromnetz des Stromnetzbetreibers erfolgte nicht. An die Kundenanlage der K waren noch wenige Gebäude angeschlossen, die Dritten zuzuordnen waren. Die von diesen Dritten benötigte Strommenge war vergleichsweise gering. Im Hinblick darauf, dass die K durchgängig neben dem im BHKW erzeugten Strom für ihre eigene Stromversorgung zusätzlich eingekauften Strom (in nennenswertem Umfang) benötigte, wurde der Stromlieferung an die Dritten vollständig eingekaufter Strom zugrunde gelegt. Für den im BHKW erzeugten und in ihrer Kundenanlage (dezentral) verbrauchten Strom stellte K dem Stromnetzbetreiber im Jahr 2013 für das Streitjahr den in § 4 Abs. 3a KWKG 2009 vorgesehenen Zuschlag mit gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer in Rechnung. Einen dieser Vorgehensweise zugrunde liegenden Vertrag gab es nach Angaben der K nicht, sondern nur ein sogenanntes Freigabeschreiben zur Rechnungsstellung. Sonstige Abrechnungen durch die K, die A GmbH oder den Stromnetzbetreiber über den im BHKW erzeugten Strom erfolgten nicht.

Im Rahmen einer Außenprüfung gelangten die Prüfer unter Anwendung der Grundsätze des Abschnitts 2.5 UStAE zu der Auffassung, der gesamte im BHKW erzeugte und dezentral verbrauchte Strom werde fiktiv von dem Anlagenbetreiber in das Stromnetz des Stromnetzbetreibers eingespeist und von dem Stromnetzbetreiber wieder an den Anlagenbetreiber zurückgeliefert. Vorliegend habe die A GmbH als Betreiberin der Anlage an den Stromnetzbetreiber geliefert, weil sie das BHKW von K gepachtet habe. Vorsteuer aus der fiktiven Rücklieferung sei allerdings erst dann zu berücksichtigen, wenn eine entsprechende Rechnung des Stromnetzbetreibers vorliege.

Das Finanzamt (FA) übernahm die Auffassung der Prüfer und erließ einen entsprechenden Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr, in dem er die der A GmbH als Organgesellschaft zugerechneten Umsätze bei K als Organträgerin berücksichtigte. Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb erfolglos. Während des anschließenden Klageverfahrens änderte das FA den angefochtenen Umsatzsteuerbescheid aus hier nicht streitigen Gründen.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Der im BHKW erzeugte Strom werde weder tatsächlich noch fingiert im Sinne des § 3 Abs. 1 UStG an den Stromnetzbetreiber geliefert. Selbst wenn eine Lieferung des Stroms von der A GmbH an K vorliegen sollte, sei diese als nicht steuerbarer Innenumsatz einer zwischen der A GmbH und K bestehenden Organschaft im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG anzusehen.

Hiergegen legte das FA Revision ein.

Entscheidung

Das FG hat zutreffend entschieden, dass der im Streitjahr in einem an die Kundenanlage angeschlossenen BHKW erzeugte und dezentral verbrauchte Strom nicht an den Stromnetzbetreiber im Sinne des § 3 Abs. 1 UStG geliefert wurde. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat diese Beurteilung für einen Parallelfall bereits ausdrücklich bestätigt. Danach führt die Zahlung eines sogenannten KWK-Zuschlags für nicht eingespeisten, sondern dezentral verbrauchten Strom gemäß § 4 Abs. 3a KWKG 2009 nicht zu einer Lieferung im Sinne von § 3 Abs. 1 UStG. Somit wird der von einem Anlagenbetreiber erzeugte und dezentral verbrauchte Strom umsatzsteuerrechtlich weder an den Stromnetzbetreiber geliefert noch an den Anlagenbetreiber zurückgeliefert. Ebenso liegt keine sonstige Leistung nach § 3 Abs. 9 UStG vor.

Der erkennende Senat schließt sich dieser Entscheidung des XI. Senats des BFH, mit der sich dieser in Rz 33 seines Urteils zudem zutreffend gegen die Verwaltungsauffassung in Abschnitt 2.5 Abs. 17 Satz 2 bis 4 UStAE wendet, im Ergebnis wie auch zur Begründung vollumfänglich an und sieht zur Vermeidung bloßer Wiederholungen von einer weitergehenden Begründung ab.

Hinweis

Das Verfahren wurde trotzdem ans FG zurückgewiesen, da aus Sicht des BFH nicht eindeutig geklärt war, ob die Voraussetzungen einer Organschaft – von der die Beteiligten ausgegangen waren – vorlagen.
Liegen die Voraussetzungen einer Organschaft vor, wird das FG das --nunmehr vorliegende-- Vorabentscheidungsersuchen vor dem EuGH (Az.: C-184/23 zu berücksichtigen haben. Des Weiteren kann zu prüfen sein, ob überhaupt entgeltliche Stromlieferungen der A GmbH an die Klägerin oder Stromlieferungen als unentgeltliche Zuwendungen der A GmbH an die Klägerin nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG vorlagen.

Fundstelle

BFH, Urteil vom 11.05.2023 - V R 22/21 

Andrea Köcher

Steuerberaterin

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