Gewerbesteuerpflicht einer Immobilien-GmbH bei Einschaltung einer Dienstleistungsgesellschaft?
Der Urteilsfall beschäftigt sich mit einer inländischen, rein vermögensverwaltenden GmbH, deren Hauptgesellschafter und alleiniger Geschäftsführer in Luxemburg ansässig war und die keine eigenen Geschäftsräume bezogen hatte. Die GmbH war Eigentümerin eines Wohn- und Geschäftshauses im Inland, aus welchem sie Mieterträge generierte. Durch Einschaltung einer inländischen Dienstleistungsgesellschaft, die mit einer weitreichenden „Hausverwaltungsvollmacht“ ausgestattet war, hatte die GmbH alle Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit der Vermietung ausgelagert, wozu beispielsweise der Neuabschluss und die Kündigung von Mietverträgen zählten. Das Finanzamt nahm hier eine inländische Betriebsstätte der GmbH in den Räumlichkeiten der Dienstleistungsgesellschaft an und setzte folglich einen Gewerbesteuermessbetrag fest.
Begründung einer gewerbesteuerlichen Betriebsstätte
Nach § 12 Satz 1 Abgabenordnung (AO) ist eine Betriebsstätte jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient. Die Geschäftseinrichtung/Anlage muss eine feste Beziehung zur Erdoberfläche haben, von gewisser Dauer sein und der Steuerpflichtige muss eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht innehaben. Das Kriterium einer nicht nur vorübergehenden Verfügungsmacht erfordert eine Rechtsposition des Unternehmers, die diesem nicht ohne sein Mitwirken entzogen oder verändert werden kann. Die bloße Mitbenutzung oder die tatsächliche Nutzungsmöglichkeit einer Immobilie reichen grundsätzlich nicht aus, um eine Betriebsstätte zu begründen.
Unter bestimmten Bedingungen können auch Räumlichkeiten eines Dritten eine eigene Betriebsstätte des Unternehmers sein, sofern er rechtlich befugt ist, die Einrichtung nach seinen Bedürfnissen zu nutzen, und wenn diese seiner unternehmerischen Tätigkeit „dient“, beispielsweise wenn dort eigene Arbeitnehmer:innen beschäftigt werden, die den Weisungen des Unternehmers unterliegen.
Bundesfinanzhof legt weitere Kriterien fest
Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 23.3.2022 entschieden, dass das Finanzamt im Urteilsfall mangels wirtschaftlicher Verflechtung der GmbH mit der Dienstleistungsgesellschaft zu Unrecht eine gewerbesteuerliche Betriebsstätte angenommen hat. Allein die Übertragung von auch umfassenden Aufgaben, ohne gleichzeitig eigene betriebliche Tätigkeiten vor Ort zu entfalten, soll eine Betriebsstätte des Auftragnehmers nicht zur Betriebsstätte des Auftraggebers machen.
Im Falle der Beauftragung bzw. Einschaltung einer Dienstleistungsgesellschaft soll eine eigene Betriebsstätte nur anzunehmen sein, wenn die Gesellschaft aufgrund der zur Verfügung gestellten sachlichen und personellen Struktur in der Lage ist, ihrer unternehmerischen Tätigkeit am Ort der Dienstleistungsgesellschaft operativ nachzugehen. Als Kriterien werden die fortlaufende nachhaltige Überwachung oder tatsächliche Verfügungsmacht über die Räume des Dritten genannt. Fehlt es daran, gilt die Personenidentität bei den Leitungsorganen als wichtiges Indiz zur Begründung einer Betriebsstätte.
Besteht keine Personenidentität bei den Leitungsorganen, werden eigene betriebliche Handlungen mit einer gewissen Nachhaltigkeit in den Räumlichkeiten des Auftragnehmers als zentrales Entscheidungskriterium zugrunde gelegt. Auf diese Weise soll eine räumliche und zeitliche Verwurzelung des Unternehmens mit dem Ort der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit in den Räumen des Dritten herbeigeführt werden können. Überwachungstätigkeiten, die lediglich aus dem Ausland heraus durchgeführt werden, reichen nicht aus.
Gestaltungspotenzial speziell für ausländische Investoren
Die Urteilsbegründung lässt vermuten, dass ein Vermietungsobjekt im Inland, das von einer inländischen Dienstleistungsgesellschaft verwaltet wird, nur in Ausnahmefällen bzw. bei einer engen wirtschaftlichen und personellen Verflechtung zu einer inländischen Betriebsstätte des Auftraggebers führen dürfte. Vor diesem Hintergrund ist das Urteil zu begrüßen, da eine Gewerbesteuerpflicht im Inland unter Beachtung der beschriebenen Kriterien häufig vermieden werden kann. Die Erträge aus der Vermietung unterliegen, wenn der Investor eine Kapitalgesellschaft ist, in diesem Fall in Deutschland nur der Körperschaftsteuer (zzgl. Solidaritätszuschlag), also einer Steuerlast von knapp 16 %.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 23.3.2022 – III R 35/20