EuGH äußert sich zur Umsatzsteuerbarkeit von Kurtaxen
Leistungsaustausch als Voraussetzung
Grundsätzlich setzt Umsatzsteuerbarkeit voraus, dass ein Leistungsaustausch vorliegt; dazu muss eine Leistung gegen eine erwartbare Gegenleistung an einen identifizierbaren Leistungsempfänger ausgeführt werden. In einem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) geht es um eine Gemeinde, die von Besuchern eine Kurtaxe für die Errichtung und Unterhaltung von Kureinrichtungen erhebt.
Zugang auch für nicht kurtaxenpflichtigen Personen möglich
Die Kureinrichtungen sind jedoch auch nicht kurtaxenpflichtigen Personen zugänglich. Andererseits sind auch Besucher, die sich aus einem anderen Grund in der Gemeinde aufhalten, verpflichtet, dieses Entgelt zu entrichten, beispielsweise, wenn sie sich dort zum Besuch von hier wohnenden Familienangehörigen oder Bekannten aufhalten und nicht die Absicht haben, die Kureinrichtungen zu nutzen.
Im Übrigen haben die Kurtaxeschuldner zwar die Möglichkeit, die Kureinrichtungen zu nutzen, doch sind diese Einrichtungen für jedermann, auch für Einwohner:innen oder Tagesgäste, frei und unentgeltlich zugänglich, unabhängig davon, ob die betreffende Person zur Zahlung der Kurtaxe verpflichtet ist oder nicht. Somit haben die Kurtaxeschuldner keine anderen Vorteile als Personen, die diese Kureinrichtungen benutzen und nicht kurtaxepflichtig sind.
Urteil des EuGH zur wirtschaftlichen Tätigkeit
In seiner Vorlage an den EuGH fragte der deutsche Bundesfinanzhof (BFH), ob die Gemeinde insoweit überhaupt eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL) ausübt:
1. Übt […] eine Gemeinde, die aufgrund einer kommunalen Satzung von Besuchern, die sich in der Gemeinde aufhalten (Kurgäste), für die Bereitstellung von Kureinrichtungen (z. B. Kurpark, Kurhaus, Wege) eine Kurtaxe (in Höhe eines bestimmten Betrages pro Aufenthaltstag) erhebt, mit der Bereitstellung der Kureinrichtungen an die Kurgäste gegen Kurtaxe auch dann eine wirtschaftliche Tätigkeit […] aus, wenn die Kureinrichtungen ohnehin für jedermann (und deshalb z. B. auch für nicht kur-taxepflichtige Einwohner oder andere nicht kurtaxepflichtige Personen) frei zugänglich sind? Laut Urteil des EuGH wird eine Leistung nur dann gegen Entgelt erbracht, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für eine dem Leistungsempfänger erbrachte bestimmbare Dienstleistung bildet. Das ist dann der Fall, wenn zwischen der erbrachten Dienstleistung und dem erhaltenen Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Nach den Feststellungen des EuGH ist es jedoch nicht ersichtlich, dass zwischen der Gemeinde, die aufgrund der kommunalen Satzung bei Besuchern, die sich in ihrem Gebiet aufhalten, eine Kurtaxe in Höhe eines bestimmten Betrags pro Aufenthaltstag erhebt, und Besuchern, die das Recht haben, die von dieser Gemeinde bereitgestellten Kureinrichtungen zu nutzen, die für jedermann – auch für nicht kurtaxepflichtige Personen – frei zugänglich sind, ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden.
Es könne nicht angenommen werden, dass die von der Gemeinde empfangene Vergütung im Rahmen der Kurtaxe auf der Erbringung einer Dienstleistung, nämlich der Bereitstellung der Kureinrichtungen, beruht, für die sie den unmittelbaren Gegenwert darstellt. Vor allem hänge die Pflicht zur Entrichtung der Kurtaxe aber nicht von der Nutzung der von der Gemeinde bereitgestellten Kureinrichtungen durch die Personen ab, sondern vom Aufenthalt im Gemeindegebiet, unabhängig davon, welchen Grund es dafür gibt. Die Bereitstellung von Kureinrichtungen durch eine Gemeinde ist damit keine Dienstleistung gegen Entgelt, wenn die Gemeinde von Besuchern, die sich in der Gemeinde aufhalten, aufgrund einer kommunalen Satzung eine Kurtaxe in Höhe eines bestimmten Betrags pro Aufenthaltstag erhebt, wobei die Verpflichtung zur Entrichtung der Taxe nicht an die Nutzung dieser Einrichtungen, sondern an den Aufenthalt im Gemeindegebiet geknüpft ist und diese Einrichtungen für jedermann frei und unentgeltlich zugänglich sind. Für den Fall, dass der EuGH von einer wirtschaftlichen Tätigkeit ausgegangen wäre, wollte der BFH noch wissen, was der räumlich relevante Markt für eine Wettbewerbsprüfung wäre:
2. Falls die Frage 1 bejaht wird: Ist […] bei der Prüfung, ob die Behandlung der Gemeinde als Nicht-Steuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen […] führen würde, der räumlich relevante Markt nur das Gemeindegebiet?
Leider hat der EuGH zur zweiten Frage des BFH nicht mehr Stellung genommen. Da schon kein Leistungsaustausch vorliegt, brauchte der EuGH zur Frage der Unternehmereigenschaft der Kurgemeinde sowie zur Beurteilung der größeren Wettbewerbsverzerrung nicht mehr Stellung zu nehmen.
Änderungen für Kureinrichtungen
Aufgrund der Entscheidung des EuGH dürfte in gleichartigen Fällen ein Vorsteuerabzug aus der Einrichtung und Unterhaltung von Kureinrichtungen auch nicht mehr anteilig möglich sein. Andererseits muss dann in diesen Fällen auch in Ermangelung eines Leistungsaustauschs die Besteuerung der Kurtaxe entfallen – somit Licht und Schatten für die Kurgemeinden aus diesem Urteil.