Erwerb eigener Anteile: Finanzgericht contra Verwaltung

Hintergrund

Der Erwerb eigener Anteile kommt bei Kapitalgesellschaften in der Praxis etwa bei Ausscheiden eines Gesellschafters zum Einsatz. Dieses Szenario ist dadurch gekennzeichnet, dass ein Gesellschafter beabsichtigt, seine Anteile an einer Kapitalgesellschaft zu veräußern, die verbleibenden Gesellschafter jedoch nicht die Anteile unmittelbar erwerben, sondern die finanziellen Mittel der Gesellschaft zum Erwerb der eigenen Anteile einsetzen möchten.

Vor dem Inkrafttreten des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) waren eigene Anteile, die nicht zur Einziehung erworben wurden, im Umlaufvermögen auszuweisen und entsprechend auf der Passivseite eine Rücklage zu bilden. Nach der Gesetzesänderung gilt für den Erwerb eigener Anteile nun ein Aktivierungsverbot in der Handelsbilanz. Der Nennbetrag von erworbenen, eigenen Anteilen ist in der Vorspalte offen von dem Posten „Gezeichnetes Kapital“ abzusetzen. Der Unterschiedsbetrag zwischen dem Nennwert und den Anschaffungskosten der eigenen Anteile ist mit den frei verfügbaren Gewinn- und Kapitalrücklagen zu verrechnen. Die Anschaffungsnebenkosten stellen Aufwand dar. Im Falle der Veräußerung der eigenen Anteile entfällt der Ausweis des Absetzungsbetrages. Ein den Nennbetrag übersteigender Differenzbetrag aus dem Veräußerungserlös ist bis zur Höhe des mit den frei verfügbaren Rücklagen verrechneten Betrages in die jeweilige Rücklage einzustellen. Ein darüber hinausgehender Differenzbetrag ist in die Kapitalrücklage einzustellen. Die Veräußerungsnebenkosten sind als Aufwand einzubuchen. Insofern sind der Erwerb bzw. die Veräußerung eigener Anteile nach geltendem Handelsrecht wie eine Kapitalherabsetzung bzw. Kapitalerhöhung bilanziell abzubilden.

Bislang ging die Finanzverwaltung davon aus, dass Erwerb und Veräußerung eigener Anteile auch in der Steuerbilanz nicht als Anschaffungs- oder Veräußerungsvorgang, sondern wie eine Kapitalherabsetzung oder Kapitalerhöhung abzubilden sind. Dieser Behandlung hat nun das Finanzgericht Münster mit Urteil vom 13.10.2016 rechtskräftig widersprochen.

Sachverhalt

Klägerin war eine AG, die zunächst eigene Anteile zurückkaufte, um sie dann anschließend im Streitjahr 2011 wieder zu veräußern. Den Veräußerungserlös erfasste die AG steuerneutral im Eigenkapital. Die Anschaffungsnebenkosten und Veräußerungskosten wurden in der Handels- und Steuerbilanz als Aufwand gebucht. In der Betriebsprüfung wurde die Weiterveräußerung der eigenen Anteile aufgegriffen und als Veräußerungsgeschäft eingestuft. Das beklagte Finanzamt stellte daraufhin einen grundsätzlich steuerfreien Veräußerungsgewinn fest, versagte damit den Abzug der Kosten und erhöhte daneben das Einkommen um fünf Prozent des Gewinns als nicht abziehbare Betriebsausgaben gemäß § 8b KStG.

Entscheidung

Beim Erwerb bzw. bei der Veräußerung eigener Anteile durch die Gesellschaft handelt es sich sowohl vor als auch nach der Änderung durch das BilMoG auf Ebene des veräußernden Anteilseigners um ein Veräußerungs- bzw. Anschaffungsgeschäft. Auf der Ebene der Gesellschaft folgt das Finanzgericht nicht der herrschenden Meinung und der Finanzverwaltung, sondern geht auch hier von einem Anschaffungs- bzw. Veräußerungsgeschäft aus - mit der Folge, dass § 8b KStG zur Anwendung kommt. Nach dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte beziehe sich § 8b KStG auch auf die Veräußerung von eigenen Anteilen, und die Anwendung der einschlägigen Absätze (2 und 3) für Veräußerungsvorgänge führe selbst dann zu in sich schlüssigen außerbilanziellen Korrekturen, wenn das handelsrechtliche Aktivierungsverbot auch für die Steuerbilanz gelten würde. Diese Frage lässt das Gericht ausdrücklich offen. Daneben sei die parallele Behandlung auf Gesellschafts- und Gesellschafterebene sachgerecht und es werde ausgeschlossen, dass eigene Anteile als Gestaltungsmittel zur Vermeidung der Rechtsfolgen des § 8b KStG eingesetzt werden können. Die Revision wurde zugelassen, ist aber nicht eingelegt worden.

Konsequenz

Nach wie vor kann der Einsatz eigener Anteile von Vorteil sein, wenn zum Beispiel die Besteuerung eines Veräußerungsgewinns für einen Gesellschafter günstiger ist als der Bezug von Dividende oder die Finanzierung eines Gesellschafteraustritts nicht durch die Gesellschafter erfolgen soll. Das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen zur steuerrechtlichen Behandlung des Erwerbs eigener Anteile ist nach wie vor gültig und bindet daher die Finanzverwaltung.

Benno Lange

Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Fachberater für Internationales Steuerrecht

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