Arbeitnehmer müssen nicht jede Pendelzeit akzeptieren
Kernaussage
Wird der Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber angewiesen, am folgenden Tag um 7:00 Uhr morgens an einem 170 km entfernten Ort zur Arbeit zu erscheinen, kann es sich bei dieser kurzfristigen Versetzung um eine unbillige Ausübung des Direktionsrechts handeln. Der Arbeitnehmer muss dieser Anweisung daher auch nicht vorläufig bis zur gerichtlichen Feststellung nachkommen. Dies hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg mit Urteil vom November 2017 entschieden.Sachverhalt
Im vorliegenden Fall war der Kläger seit dem Sommer 2016 bei der Beklagten, einem Logistik-Unternehmen, an deren Firmensitz beschäftigt. Im Arbeitsvertrag des Klägers war eine Klausel enthalten, wonach der Arbeitgeber den Arbeitnehmer sinngemäß entsprechend seinen Leistungen und Fähigkeiten mit anderen gleichwertigen Aufgaben betrauen und ihn auch an einem anderen Ort einsetzen kann. Die Parteien führten vor dem Arbeitsgericht einen Kündigungsrechtsstreit. Während der Güteverhandlung nahm der Arbeitgeber die Kündigung zurück. Gleichzeitig forderte er den Kläger auf, sich bereits am nächsten Morgen um 7:00 Uhr in der Niederlassung in Dresden einzufinden. Die Fahrtzeit dorthin beträgt mit dem Auto 1 Std. 45 Min., mit öffentlichen Verkehrsmitteln 4 Std. 50 Min. Dieser Weisung kam der Kläger nicht nach. Der Arbeitgeber erteilte dem Kläger daraufhin drei Abmahnungen. Nachdem der Kläger sich jedoch weiter weigerte, seine Arbeit in Dresden anzutreten, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos und hilfsweise fristgemäß. Hiergegen legte der Kläger Kündigungsschutzklage ein.Entscheidung
Der Kläger bekam in beiden Instanzen recht. Die Richter urteilten, dass sowohl die durch den Arbeitgeber ausgesprochenen Kündigungen als auch die Abmahnungen unwirksam waren. Der Kläger war aufgrund der unbilligen Weisung des Arbeitgebers nicht verpflichtet, der Weisung, ab sofort in Dresden zu arbeiten, nachzukommen. Nach der neuesten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtsmuss der Arbeitnehmer sich nicht an eine Weisung des Arbeitgebers halten, die die Grenzen des billigen Ermessens nicht wahrt. Das Landesarbeitsgericht bewertete die unmittelbar nach Rücknahme einer Kündigung im Gerichtstermin ausgesprochene Weisung allein deshalb schon als unwirksam, weil dies für einen Rechtsmissbrauch sprach, keine betriebliche Notwendigkeit vorlag und es der Beklagten wohl ausschließlich um eine Disziplinierung des Arbeitnehmers ging. Außerdem sei die Weisung auch nicht nachvollziehbar, da der Kläger bis zur Kündigung stets am Firmensitz eingesetzt war. Die Beklagte hatte dem Kläger zudem keine Zeit gegeben, sich auf den neuen Arbeitsort einzustellen. Damit konnte im vorliegenden Fall die Frage, ob die im Arbeitsvertrag enthaltene Versetzungsklausel überhaupt wirksam ist, dahinstehen.