Keine Rückstellung für künftige Wartungen von Zügen

Rückstellungen: Grundprinzip und rechtliche Voraussetzungen

Rückstellungen dienen dazu, bereits absehbare, aber noch ungewisse Verpflichtungen in der Bilanz zu berücksichtigen. Sie sind sowohl handels- als auch steuerrechtlich zulässig, wenn eine Verpflichtung dem Grunde nach bereits entstanden oder ihr Entstehen überwiegend wahrscheinlich ist und sie wirtschaftlich in der Vergangenheit verursacht wurde. Künftige Aufwendungen dürfen dagegen erst dann berücksichtigt werden, wenn sie tatsächlich anfallen.  

BFH-Urteil: Keine Rückstellungen für zukünftige Wartungen

Nun hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass ein Eisenbahnunternehmen keine Rückstellungen für künftige Wartungen seiner Züge bilden darf. Das Unternehmen hatte geleaste Triebfahrzeuge im Schienenpersonennahverkehr eingesetzt und anteilig Rück-stellungen für anstehende Wartungs- und Hauptuntersuchungskosten gebildet. Nach dem Leasingvertrag war die Instandhaltungspflicht dem Leasingnehmer auferlegt. Diese Wartungen sind gesetzlich vorgeschrieben und richten sich nach Laufzeit und Nutzung der Fahrzeuge. Das Eisenbahnverkehrsunternehmen bildete daher auf Basis der bereits zurückgelegten Laufleistung in den vergangenen Jahren anteilige Rückstellungen für die künftig anfallenden Wartungs- und Hauptuntersuchungskosten. Nach Auffassung des BFH ist eine öffentlich-rechtliche Wartungsverpflichtung wirtschaftlich nicht in der Vergangenheit verursacht, weil wesentliches Merkmal der Überholungsverpflichtung das Erreichen der zulässigen Betriebszeit ist, die den typischerweise auftretenden Ermüdungs- und Abnutzungserscheinungen Rechnung trägt. Die Erfüllung dieser Verpflichtungen legitimiere also nicht den Betrieb des entsprechenden Geräts in der Vergangenheit, sondern ermögliche ihn in der Zukunft. Der BFH lehnt daher die Rückstellungsbildung ab. Im Urteilsfall war die maximale Betriebszeit noch nicht erreicht, sodass auch eine Rückstellung für unterlassene Instandhaltung ausscheidet.

Leasingvertrag und Erfüllungsrückstand: Warum keine Ausnahme gilt

Auch der Leasingvertrag begründete keine abweichende Verpflichtung. Da der Wartungsaufwand erst in Zukunft entsteht, liegt kein sogenannter Erfüllungsrückstand vor, der eine Rückstellung rechtfertigen könnte. Das Urteil macht deutlich: Rückstellungen dürfen nur für Verpflichtungen gebildet werden, die bereits rechtlich entstanden und wirtschaftlich in der Vergangenheit verursacht sind. Für regelmäßig anfallende Wartungsarbeiten bedeutet das, dass sie erst dann bilanziell berücksichtigt werden dürfen, wenn die Aufwendungen tatsächlich entstehen.

Komponentenansatz als handelsrechtliche Alternative

An dieser Stelle sei auf den handelsrechtlich zulässigen Komponentenansatz hingewiesen. Zwar lassen sich mit dem Komponentenansatz auch keine Rück-stellungen für Wartungsarbeiten in der Bilanz bilden, er erlaubt aber die getrennte Abschreibung einzelner wesentlicher Bestandteile eines Vermögensgegenstands, sofern diese unterschiedliche Nutzungsdauern aufweisen. Obwohl im Handelsgesetzbuch nicht explizit geregelt, wird der Ansatz durch das Institut der Wirtschaftsprüfer als zulässig angesehen, wenn die Komponenten physisch separierbar und wertmäßig wesentlich sind.

Züge sind komplexe technische Anlagen mit zahlreichen funktionalen Einheiten, die sich in ihrer Lebensdauer und Abnutzung deutlich unterscheiden. Typische Komponenten, die separat abgeschrieben werden können, sind:  

  • Fahrgestell/Rahmen (lange Nutzungs-dauer, z.B. 30–40 Jahre)
  • Antriebseinheit (Motor, Getriebe; kürzere Nutzungsdauer, z.B. 15–20 Jahre)
  • Elektronik und Steuerungssysteme (schnellerer technologischer Wandel, z.B. 10–15 Jahre)
  • Innenausstattung/Kabine (abhängig von Nutzung und Komfortanforderungen, z.B. 10 Jahre)

Die jährliche Abschreibung erfolgt komponentenweise und ermöglicht eine realitätsnähere Abbildung des Werteverzehrs. Zwar gilt steuerlich das Maßgeblichkeitsprinzip, wonach die Handelsbilanz grundsätzlich auch für die Steuerbilanz maßgeblich ist – aber nur insoweit, als steuerliche Vorschriften dem nicht entgegenstehen. Und genau hier liegt die Einschränkung: Die steuerlichen Vorschriften sehen keine komponentenweise Abschreibung vor. Das wurde durch die Rechtsprechung des BFH ebenfalls klargestellt. Eine Aufteilung eines Wirtschaftsguts in einzelne Komponenten und deren Abschreibung für steuerliche Zwecke werden abgelehnt.

Oliver Stoffers

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