Handelsregister: Kann man sich auf die Vertretungsmacht des eingetragenen Geschäftsführers verlassen?

Darf ein GmbH-Geschäftsführer ohne „Go“ der Gesellschafter das gesamte Vermögen der GmbH verkaufen?

Unterzeichnet der Geschäftsführer einer GmbH einen Kaufvertrag, mit dem das gesamte Vermögen der GmbH (z.B. Grundbesitz) veräußert wird, ist das Geschäft unwirksam, wenn der Käufer weiß, dass der Geschäftsführer ohne legitimierenden Beschluss der Gesellschafter:innen handelt und deshalb seine Vertretungsmacht missbraucht. Dies entschied aktuell der Bundesgerichtshof und stellte dabei klar, dass man sich nur dann auf die Vertretungsbefugnis des im Handelsregister einer GmbH eingetragenen Geschäftsführers verlassen darf, wenn man keine Kenntnis von dessen Entlassung oder der Überschreitung seiner Vertretungsmacht hat. 

Bundesgerichtshof sagt Nein

Eine in der Immobilienbranche tätige GmbH hatte vor Jahren ein rund 16 Mio. € teures Grundstück in Berlin-Charlottenburg erworben, was im Wesentlichen ihren einzigen Vermögensgegenstand darstellte. Bei dem später anstehenden Verkauf des Grundstücks handelte für die GmbH deren ehemaliger Geschäftsführer, der kurz vor Vertragsschluss abberufen worden, aber noch im Handelsregister eingetragen war. Die Wirksamkeit des Abberufungsbeschlusses war zwischen den Parteien streitig. Als die GmbH-Gesellschafter:innen den Verkauf bemerkten, verlangten sie die sofortige Rückgängigmachung des Geschäfts: Mit der Begründung, dass sie zum Verkauf vorher nicht ihr Einverständnis erklärt hätten, sollte der Grundstückskäufer der Löschung der Auflassungsvormerkung im Grundbuch zustimmen. Dieser weigerte sich beharrlich und meinte, der beurkundende Notar habe dahingehend falsch beraten, dass ein legitimierender Gesellschafterbeschluss entbehrlich sei. Auf diese Aussage habe er sich verlassen dürfen, auch wenn er zugab, gewusst zu haben, dass es um die Abberufung des Geschäftsführers Streit gegeben hatte. Die Sache ging bis zum Bundesgerichtshof, der schließlich der GmbH recht gab. 

Geschäftsführer hätte das Okay der Gesellschafter einholen müssen

Die Richter:innen hielten die Abberufung des Geschäftsführers für wirksam, er war also gar nicht mehr befugt, das Grundstück der GmbH zu verkaufen. Sie stellten allerdings klar, dass der GmbH diese Tatsache nichts nütze, denn der Käufer durfte sich grundsätzlich darauf berufen, dass der Geschäftsführer noch als Vertreter der GmbH im Handelsregister eingetragen war, und zwar selbst dann, wenn ihm bekannt war, dass ein streitiger Abberufungsbeschluss gefasst wurde. Eine Nachforschungspflicht des Käufers habe nicht bestanden, denn nur wer positive Kenntnis von einer wirksamen Abberufung des Geschäftsführers hat, ist der Verweis aufs Handelsregister versagt. Letzten Endes brachte der Bundesgrichtshof das Grundstücksgeschäft aber zu Fall, indem er ausführte, dass der abberufene Geschäftsführer bei dem derart bedeutenden Grundstücksgeschäft im Innenverhältnis die vorherige Zustimmung der Gesellschafter:innen gebraucht hätte, auch wenn der GmbH-Gesellschaftsvertrag das nicht ausdrücklich vorsah. Einem verständigen Vertragspartner, so die Richter:innen, müsse grundsätzlich klar sein, dass der Geschäftsführer die GmbH nicht ohne Zustimmung der Gesellschafter:innen unternehmenslos stellen kann. Aber auch wenn mit einer Immobilie nur ein einzelner Vermögensgegenstand übertragen werden solle, könne es sich wie hier aufdrängen, dass der Geschäftsführer das Geschäft wegen seiner Bedeutung für die GmbH nicht ohne Rückversicherung bei den Gesellschafter:innen vornehmen kann.

Für die Praxis: Geschäftsführer sollten sich lieber einmal zu viel rückversichern als zu wenig

Die Geschäftsführer:innen vertreten die GmbH nach dem Gesetz gerichtlich und außergerichtlich; diese Vertretungsmacht ist grundsätzlich unbeschränkt und unbeschränkbar. Handelt der Geschäftsführer im Rahmen seiner Vertretungsmacht, führt das grundsätzlich zu einer rechtsgeschäftlichen Bindung der GmbH. Das Risiko einer missbräuchlichen Verwendung der Vertretungsmacht hat daher zunächst einmal die vertretene GmbH zu tragen. Die Missachtung von Regeln und Weisungen, die sich aus dem Innenverhältnis zwischen Geschäftsführung und Gesellschafter:innen ergeben, wirkt sich aber dann im Außenverhältnis aus, wenn die Grenzen des rechtlich Tragbaren überschritten werden, so der Bundesgerichtshof in seiner ständigen Rechtsprechung. In diesen Fällen kann der Geschäftsgegner aus dem formal durch die Vertretungsmacht gedeckten Geschäft ausnahmsweise keine vertraglichen Rechte gegen die GmbH herleiten. Geschäftsführer:innen und Gesellschafter:innen ist daher zu raten: Soll das einzige Asset einer GmbH und damit ihr gesamtes Vermögen veräußert werden, muss ein entsprechender Gesellschafterbeschluss – am besten schriftlich – gefasst werden, um später keine Unwirksamkeit des Geschäfts zu riskieren.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 9.1.2024 – II ZR 220/22
 

Dr. Olaf Lüke

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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