Corona-Quarantäne: Lohnfortzahlung für Ungeimpfte?

 

Seit Beginn der Corona-Pandemie stellen sich zahlreiche arbeitsrechtliche Fragen, die zuvor nicht oder nur in seltenen Fällen zu beantworten waren. Hierzu zählen die Umstände, unter denen Mitarbeiter weiter ihr Gehalt bekommen, obwohl sie quarantänebedingt nicht arbeiten dürfen.

Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

Im Ausgangspunkt erhalten Arbeitnehmer den Lohn oder das Gehalt im Gegenzug zu ihrer Arbeitsleistung. In manchen Fällen besteht der Entgeltanspruch jedoch auch ohne Arbeitsleistung. Hierzu zählt vor allem der Krankheitsfall: Kann der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung infolge krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nicht erbringen, hat er gleichwohl Anspruch auf Vergütung, im Regelfall bis zu einer Dauer von sechs Wochen. Dies gilt allerdings nicht, wenn der Arbeitnehmer seine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit selbst verschuldet hat.

Der Anspruch richtet sich gegen den Arbeitgeber. Kleinere Arbeitgeber mit in der Regel nicht mehr als 30 Beschäftigten erhalten auf Antrag zwar 80 % der Entgeltfortzahlungskosten von der zuständigen Krankenkasse erstattet, finanzieren diese Aufwendungsausgleichsleistung aber durch Teilnahme an einem Umlageverfahren (U1) letztlich ebenfalls selbst.

Entschädigung bei Quarantäne

An dieses im Einzelnen durchaus komplizierte System sind Arbeitgeber wie Arbeitnehmer in Deutschland einigermaßen gewöhnt. Schwieriger, weil ungewohnt, komplexer und zusätzlich auch noch aktuellen Änderungen unterworfen ist die Frage, ob und in welchen Fällen ein Arbeitnehmer sein Arbeitsentgelt erhält, wenn gegen ihn eine behördliche Quarantäneanordnung ergangen ist und der Mitarbeiter deshalb nicht zur Arbeit erscheinen kann.

Insoweit ist zunächst einmal festzuhalten, wann sich die Quarantäne nicht auswirkt:

  • Kann der Arbeitnehmer trotz Quarantäne seine Arbeitsleistung erbringen (etwa im Homeoffice), behält er selbstverständlich und ohne Weiteres seinen Vergütungsanspruch. Weitergehende Fragen der Entgeltfortzahlung oder Entschädigung stellen sich dann nicht.
  • Ist der Arbeitnehmer selbst an Covid-19 erkrankt und deshalb arbeitsunfähig, gelten die Regeln der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Ob dann ergänzend eine Quarantäne angeordnet wird, spielt keine Rolle. 

Spannend und gesellschaftlich wie politisch umstritten ist die Frage der Entgeltfortzahlung, wenn ein Mitarbeiter durch eine behördlich angeordnete Quarantäne nicht arbeiten kann (auch nicht z.B. im Homeoffice), obwohl er selbst gar nicht krank ist (oder eine Krankheit jedenfalls noch nicht festgestellt wurde). Denn in einem solchen Fall besteht mangels Erkrankung kein Entgeltfortzahlungsanspruch wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit. Greift in diesem Fall nun die Grundregel, wonach es Gehalt nur gegen Arbeitsleistung gibt?

Insoweit ist während der gegenwärtigen Pandemie das Infektionsschutzgesetz (IfSG) in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt, das einen Entschädigungsanspruch für den Fall der Absonderung oder des zeitweiligen Berufsausübungsverbots kennt – im Allgemeinen unter dem Begriff der (behördlich angeordneten) Quarantäne diskutiert.

Der Entschädigungsanspruch ist in weiten Teilen der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nachgebildet: Auch hier besteht der volle Entgeltanspruch für die Dauer von bis zu sechs Wochen; anschließend reduziert sich der Anspruch auf die Höhe des auch für längere Krankheitszeiträume von den Krankenkassen gezahlten Krankengelds. 

Anders als der Anspruch im Krankheitsfall richtet sich der Entschädigungsanspruch nach dem IfSG allerdings gegen die öffentliche Hand, nicht gegen den Arbeitgeber. Er besteht subsidiär nur dann, wenn der Arbeitgeber an sich nicht zur Lohnfortzahlung verpflichtet ist, wenn der Mitarbeiter also einen Entgeltausfall erleidet. Trotz dieser öffentlich-rechtlichen Struktur wird der Arbeitgeber unmittelbar involviert, weil er nach dem IfSG verpflichtet ist, für den Staat in Vorleistung zu treten. Der Arbeitgeber muss das Arbeitsentgelt des betroffenen Mitarbeiters fortzahlen und kann sich erst im Nachgang den Aufwand von der öffentlichen Hand erstatten lassen. In der Praxis hat also der Arbeitnehmer mit dem Entschädigungsanspruch keinen Aufwand; für ihn stellt sich die Abwicklung ebenso einfach wie im Krankheitsfall dar.

Will der Arbeitgeber nicht riskieren, zunächst die Vorauszahlung an den Mitarbeiter zu leisten, anschließend aber bei der Erstattung leer auszugehen, muss er sich eingehend mit den Voraussetzungen des Entschädigungsanspruchs nach dem IfSG auseinandersetzen. Insoweit verkompliziert sich die Rechtslage aktuell.

Beschränkung des Entschädigungsanspruchs für Ungeimpfte

Wie das Entgeltfortzahlungsrecht im Krankheitsfall kennt auch das Entschädigungsrecht des Infektionsschutzgesetzes das Korrektiv des Verschuldens: Wer den Krankheitsfall selbst verschuldet hat, erhält keine Lohnfortzahlung. Gedanklich vergleichbar versagt § 56 Abs. 1 Satz 4 IfSG die Entschädigung, wenn für den Betroffenen die Möglichkeit einer Schutzimpfung bestand und im Bereich seines gewöhnlichen Aufenthaltsorts gesetzlich vorgeschrieben oder – was derzeit die größere Bedeutung hat – öffentlich empfohlen ist und wenn die Quarantäne durch Inanspruchnahme der Schutzimpfung (oder einer anderen Maßnahme der spezifischen Prophylaxe) vermieden worden wäre. Dasselbe gilt, wenn die Quarantäne durch Verzicht auf eine Reise hätte vermieden können und das Reiseziel bereits zum Zeitpunkt der Abreise als Risikogebiet eingestuft war.

Nachdem eine Schutzimpfung zu Beginn der Corona-Pandemie noch nicht zur Verfügung stand und weite Teile der Bevölkerung anschließend teils lange auf eine Impfung warten mussten, ist inzwischen der Ausschluss der Entschädigung für Ungeimpfte in den Mittelpunkt der öffentlichen Debatte gerückt. Nachdem inzwischen jeder, der geimpft werden möchte, eine solche Schutzimpfung kostenlos erhalten kann, sehen die Gesundheitsminister der Länder und des Bundes die Entschädigung auf Kosten der Allgemeinheit nicht mehr als geboten an. Erhebungen zufolge waren bis Anfang September 2021 deutschlandweit deutlich mehr als eine halbe Milliarde € für die Entschädigungsleitungen aufgewendet worden; die nordrhein-westfälische Landesregierung spricht allein für ihr Bundesland von 120 Mio. €. Diese Kosten möchte die Solidargemeinschaft wieder drosseln – ob man dies nun als Impfpflicht durch die Hintertür ansehen mag oder nicht.

Inkrafttreten der neuen Regelung, Ausnahmen

Die Leistung wird bundesweit spätestens am 1. November 2021 eingestellt; einzelne Bundesländer beenden die Entschädigungszahlungen schon früher, NRW zum Beispiel am 11. Oktober 2021.

Geimpfte und Genesene haben weiterhin den Anspruch auf Entschädigung, wenn gegen sie eine Quarantäne verhängt wird. Dasselbe gilt für Menschen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können oder für die aus anderen Gründen keine öffentliche Impfempfehlung besteht. Auch Ungeimpfte erhalten die Entschädigung, wenn auch eine Impfung die Quarantäne nicht verhindert hätte; insoweit könnten im Einzelfall längere Auseinandersetzungen drohen.

Praktische Folgen für Arbeitgeber

Die Änderungen betreffen formal die Entschädigungsansprüche der Arbeitnehmer gegen den Staat, werden wegen der Vorleistungspflicht der Arbeitgeber aber in die Arbeitsverhältnisse hineingetragen.

Vor allem die Arbeitgeber stecken in einem weiteren Dilemma – organisatorisch und wirtschaftlich: Leisten sie trotz Anspruchs keine Entgeltfortzahlung, verhalten sie sich vertrags- und gesetzeswidrig; dann stehen Auseinandersetzungen bis hin zu Klageverfahren an. Leisten die Arbeitgeber jedoch voreilig, laufen sie Gefahr, auf den Lohnfortzahlungskosten sitzenzubleiben, weil die Behörden die Erstattungsleistung ablehnen. Arbeitgeber müssen also prüfen und relativ kurzfristig entscheiden, ob ein von Quarantäne betroffener Mitarbeiter einen Entschädigungsanspruch nach dem IfSG hat. 

Für die Praxis ist jedem Arbeitgeber zu raten, die Entgeltfortzahlung so lange zurückzuhalten, bis der von Quarantäne betroffene Mitarbeiter seine Impfung nachgewiesen hat. Der Impfung stehen die Genesung oder auch der Nachweis, nicht geimpft werden zu können, gleich, nicht aber ein negativer Corona-Test. 

Das wird in vielen Fällen reibungslos verlaufen, weil eine große Anzahl von Beschäftigten ihren Impfstatus letztlich freiwillig oder jedenfalls wenig zögerlich preisgibt. Weigert sich ein Mitarbeiter oder bleiben die vorgelegten Unterlagen unklar, entsteht für den Arbeitgeber aber nicht nur Organisationsaufwand, sondern auch erhebliches Konfliktpotenzial. Immerhin müssen Arbeitnehmer einer weit verbreiteten Auffassung zufolge dem Arbeitgeber ihren Impfstatus nicht preisgeben und dürfen Arbeitgeber danach nicht fragen. Hier sind wichtige Rechtsgüter gegeneinander abzuwägen, sodass man gewiss zu unterschiedlichen Einschätzungen gelangen kann. Für den Fall der Quarantäne, soweit nämlich der Entgeltfortzahlungsanspruch von der Impfung abhängen könnte, lässt sich ein Fragerecht des Arbeitgebers allerdings spätestens jetzt nicht mehr leugnen. Ob dieses arbeitsrechtliche Argument jedem Mitarbeiter ohne weiteres einleuchten wird, ist damit allerdings nicht gesagt; manchem Arbeitgeber dürften also hitzige Diskussionen ins Haus stehen.

Selbstständige

Übrigens besteht der Entschädigungsanspruch nach dem IfSG nicht nur für Arbeitnehmer, sondern auch für Selbständige. Diese müssen sich selbst um die Entschädigungsleistungen kümmern, da es ihnen am Arbeitgeber fehlt, der dies für sie abwickelt.

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