Unionsrechtskonforme Anwendung von § 50d Abs. 3 EStG
Hintergrund
Der ausländische Gesellschafter einer inländischen Kapitalgesellschaft hat einen Anspruch auf Erstattung oder Freistellung von Kapitalertragsteuer auf eine Ausschüttung, wenn die Voraussetzungen eines Doppelbesteuerungsabkommens oder der Mutter-Tochter-Richtlinie erfüllt sind. Die so genannte Missbrauchsvermeidungsnorm des § 50d Abs. 3 EStG macht die Erstattung bzw. Freistellung national von weiteren – engen – Voraussetzungen abhängig. Der Europäische Gerichtshof hat kürzlich geurteilt, dass die generelle Missbrauchsvermutung in § 50d Abs. 3 EStG alte Fassung (Jahressteuergesetz 2007) weder mit der Mutter-Tochter-Richtlinie noch mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar ist (siehe dazu die dhpg Meldung vom 1.2.2018). Wenngleich es sich um ein Urteil zur Vorgängerregelung des derzeitigen § 50d Abs. 3 EStG handelt, treffen viele der Erwägungen des Europäischen Gerichtshofs auch auf die aktuelle Fassung zu. Das Finanzgericht Köln hat dem Europäischen Gerichtshof bereits den § 50d Abs. 3 EStG in der neuen Fassung zur Überprüfung vorgelegt. Die Finanzverwaltung hat nun mit Schreiben vom 4.4.2018 Konsequenzen aus der Entscheidung des Gerichtshofs gezogen.Schreiben des Bundesfinanzministeriums
Das Schreiben des Bundesfinanzministeriums beinhaltet Anweisungen sowohl zu der alten als auch zu der geltenden Missbrauchsvorschrift in den Fällen, in denen der Gläubiger der Kapitalerträge einen Anspruch auf Entlastung nach der Mutter-Tochter-Richtlinie gemäß § 43b EStG geltend macht. Der § 50d Abs. 3 EStG in der alten Fassung soll nicht mehr angewendet werden. Die geltende Missbrauchsvorschrift sei mit der Maßgabe anzuwenden, dass Satz 2 keine Anwendung mehr finde. Danach sind allein die Verhältnisse bei der ausländischen Gesellschaft für die Würdigung der Tatbestandsmerkmale des Satzes 1 maßgebend und wirtschaftliche Gründe abgeleitet aus dem Konzernverbund irrelevant. Allerdings sollen gleichwohl wirtschaftliche und sonst beachtliche Gründe fehlen, wenn sich aus einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls ergebe, dass mit der Einschaltung der ausländischen Gesellschaft im Wesentlichen nur steuerliche Vorteile bezweckt werden.Die Aussagen im Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 24.1.2012 zum Tatbestandsmerkmal der eigenen Wirtschaftstätigkeit bezogen auf eine aktive Beteiligungsverwaltung (Textziffer 5.2) wird dahingehend korrigiert, dass eine Gesellschaft auch insoweit am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt, als sie ihre Bruttoerträge aus der Verwaltung von Wirtschaftsgütern erzielt. Dies gelte im Fall einer passiven Beteiligungsverwaltung nur dann, wenn die Gesellschaft ihre Rechte als Gesellschafterin tatsächlich ausübe. Im Hinblick auf das Merkmal des angemessen eingerichteten Geschäftsbetriebs (Textziffer 7) wird geregelt, dass für den Geschäftszweck der Verwaltung von Wirtschaftsgütern ein angemessen eingerichteter Geschäftsbetrieb nicht zwingend voraussetzt, dass die Gesellschaft im Ansässigkeitsstaat für die Ausübung ihrer Tätigkeit ständig sowohl geschäftsleitendes als auch anderes Personal beschäftigt.
Die vorstehenden Regelungen sollen auf alle noch offenen Fälle angewendet werden.